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Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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brüllten, sie seien überfallen worden, womit sie alle, die sich in dem Stockwerk befanden, in Panik versetzten, und als man es befreien wollte, stand es leer. Also befahl ich den Arkebusieren, sich mit der Waffe in Händen an die Fenster zu stellen, doch ohne zu schießen, weil ich mir dachte, daß Rousselet, anstatt die Plünderer anzugreifen, lieber verhandeln und ihnen freien Abzug anbieten werde, damit unsere Pferde verschont blieben. Was er auch so klug war zu tun, als Stadtleutnant war er nicht auf Blutvergießen erpicht.
    Nun, wir retteten zwar unsere Pferde, auch Kutschenpferde für Madame de Saint-Paul, dafür aber war unsere Habe im Oberstock unbarmherzig geplündert worden, und mein armer Quéribus hatte seine sämtlichen schönen Kleider verloren, darunter ein Seidenwams mit dreireihigem Perlenbesatz, das er sich zur Krönung des Königs hatte machen lassen und das vom ganzen Hof bewundert worden war; dazu seinen kostbarsten Schmuck, im besonderen ein Paar goldener Ohrringe mit großen Diamanten, ein Geschenk von Heinrich III. – alles war den verdammten Raubzüglern in die Hände gefallen.
    Mein armer Quéribus wankte bei dieser heillosen Entdeckung und sank wie von Sinnen auf sein Lager, bald schrie er seinenZorn heraus, bald vergoß er Sturzbäche von Tränen, dick wie Erbsen. Schöne Leserin, wenn Sie erlauben, möchte ich hier einen Einschub machen, um Ihnen in Erinnerung zu rufen, daß es nicht mein sehr geliebter Herr Heinrich III. war, der als erster die Ohren seiner Höflinge geschmückt sehen wollte, sondern sein älterer Bruder Karl IX., der diese italienische Mode in Frankreich heimisch machte, und dieser Bruder, wie übrigens auch mein reizender Quéribus, hätte bei dem bloßen Wort »schwul« blankgezogen, denn seine Liebe galt ausschließlich Frauen. Geck und Liebesknabe sind, Gott sei Dank, nicht unbedingt dasselbe! Das soll einmal gesagt sein, ich selbst war in jungen Jahren ein wenig geckenhaft und lege auch mit meinen Vierzig noch immer größte Sorgfalt auf meine Kleidung. Dennoch trug ich,
ausus vana contemnere
, 1 zeitweilig auch meine unschöne Tuchhändlertracht und machte mich häßlich im Dienst des Königs.
    Während mein Quéribus seinem untröstlichen Leid nachhing, lief ich eine Etage tiefer, um Madame de Saint-Paul zu besuchen. Und wie klopfte mir das Herz vor köstlicher Erwartung des nahen Wiedersehens, hatte ich ihr doch Leben und Besitz gerettet und geholfen, sie von einem tyrannischen Gemahl zu befreien. Ha! Leser, welch ein Verrat! Verlassen hatte ich eine schmeichelnde Circe. Was ich wiederfand, war eine Gorgone, und all ihre Haarsträhnen züngelten gegen mich wie Schlangen mit Medusenblicken.
    »Marquis«, sagte sie, indem sie mich aus kalten Augen maß, »welch ein Wahnwitz hatte Euch gepackt, zuzulassen, daß Euer Junker sein Messer auf diesen Halunken warf. Hätte er ihn verfehlt, weilte ich nicht mehr unter den Lebenden.«
    »Madame«, sagte ich, »Ihr setzt mich in Erstaunen! Ich durfte meinen Junker machen lassen, weil ich seine unfehlbare Hand kenne. Wäre ich andererseits auf den Handel mit diesem Räuber eingegangen, hättet Ihr mit Sicherheit Euer Vermögen verloren und vielleicht auch Ehre und Leben.«
    »Das bezweifle ich«, sagte sie. »Ich glaube nicht, daß der Kerl mit meiner Schatulle und mir weit gekommen wäre, das Haus war umstellt.«
    »Oh, nein, Madame«, sagte ich ziemlich hart, »das war esnicht. Der Hinterausgang war frei geblieben. Und hätte Malevault auf seiner Flucht entweder Eure Schatulle oder Euch herausgeben müssen, hätte er jedenfalls nicht die Schatulle geopfert.«
    »Das sagt Ihr so«, versetzte Madame de Saint-Paul mit schnippischer Miene.
    »Madame«, sagte ich nach einer Weile Schweigen, »wenn man Euch hört, dann habe ich Euch bisher so miserabel gedient, daß ich es kaum wage, von der Erlaubnis zu sprechen, die ich beim Herzog von Guise für Euch erwirken konnte, Reims frei zu verlassen und Euch in eine Stadt Eurer Wahl zu begeben, in Eurer eigenen Kutsche, mit Euren Kammerfrauen und unter dem Schutz meiner Eskorte.«
    »Deutlicher gesprochen: Ich werde verjagt!« sagte Madame de Saint-Paul mit unfaßlichem Dünkel.
    »Madame«, sagte ich, »sosehr ich Euren Gesang bewundert habe, weiß ich doch nicht, ob Euer jetziges Lied mir sonderlich gefällt: Es ist gar zu anders als jenes, das mich bezauberte. Glaubt mir, es hätte Euch weit Schlimmeres geschehen können, als Reims frei und samt Eurer Habe zu verlassen.«
    »Ach

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