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Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Fensternische, wo er uns zahllose Freundlichkeiten über die vorseherische Rolle sagte, die wir seit unserer Ankunft zu Reims spielten, denn wir hätten ihn in seinem Entschluß bestärkt, wir hätten Péricard das Leben gerettet und ich schließlich im Verlauf des Scharmützels auch seines.
    »Siorac«, sagte er, Tränen am Wimpernsaum, indem er mich in die Arme schloß, »mein Leben ist Euer, denn Ihr habt es bewahrt. Bitte, verfügt künftig über mich, über meine Freunde, meine Verbindungen, meine Mittel, mein Schwert, alles ist Euer. Es gibt nichts, was Ihr von mir nicht fordern dürftet und was ich Euch nicht zur Stunde gewährte.«
    Nun, ich weiß natürlich, was die Elle solcher höfischen Komplimente taugt, die, je überschwenglicher gesprochen, desto schneller vergessen sind – Luftblasen, die am selben Tag, da sie dem Mund entspringen, platzen. Doch weil ich die Bräuche kannte, sprach ich dem Prinzen mit tiefer Verneigung meinen unendlichen Dank für seine Dankesworte aus und beteuerte ihm meinerseits meine unwandelbare Liebe.
    Péricard rettete mich aus diesen rhetorischen Ergüssen, indem er hinzutrat und dem Herzog, nicht ohne Sorge im schönen und ehrenhaften Gesicht, vermeldete, das Volk, das sich als Herr der Straße fühle, habe die Türen des Hôtel Saint-Paul erbrochenund sei am Plündern, eine Nachricht, die mich stark beunruhigte, auch Quéribus natürlich, jedoch aus anderen Gründen.
    »Sapperlot!« sagte der Herzog scherzend, »laßt sie gewähren! Sollen sie wenigstens Beute machen, sie haben unter dem Tyrannen genug gelitten! Und wenn es nicht neben dem Kloster stünde, wünschte ich, daß von diesem Haus kein Stein auf dem anderen bliebe!«
    »Hoho, mein Herr Cousin!« versetzte Quéribus höchst erregt, »das könnt Ihr nicht meinen! Wenig schert mich, was Madame de Saint-Paul dabei verliert, aber wir, wir haben in dem Anwesen unsere Pferde und im Oberstock unser Gepäck, das wir bei der Flucht nicht mitnehmen konnten. Ich bezweifle, daß die Plünderer zwischen dem, was der Witwe gehört und was uns, groß unterscheiden werden.«
    »Außerdem«, fügte ich hinzu, »ist Madame de Saint-Paul als geborene Caumont aus alter perigordinischer Familie nicht nur meine Verwandte, ich bin ihr überdies zu großer Freundschaft verpflichtet, weil sie mir diesen Schlüssel anvertraut hat (wo mit ich ihn aus meiner Tasche zog), ohne den ich weder dem Kerker entschlüpfen noch Péricard, noch Euch, Monseigneur, hätte beistehen können. Ich verdanke Madame de Saint-Paul die Freiheit und habe ihr geschworen, für die ihre zu wirken, als ihr Mann noch lebte, also muß ich ihr nach seinem Tod erst recht zu Hilfe eilen. Wenn Ihr mich also beurlauben wollt, um sie und ihre Habe vor der Plünderung zu bewahren.«
    An der Miene des Prinzen sah ich sehr wohl, daß er wenig Lust hatte, die Frau seines Feindes billig davonkommen und jene kleine Schatulle fortschaffen zu lassen, die, wie sie gesagt hatte, ein bedeutendes Vermögen enthielt. Doch waren seine Beteuerungen, mir jeden Dienst zu leisten, seinem Mund zu frisch enteilt und klangen uns noch in den Ohren, als daß er sie so schnell vergessen konnte. Auch verfehlte es seinen Eindruck auf ihn nicht, was ich von meiner angeblichen Verwandtschaft mit Madame de Saint-Paul sagte.
    »Ich wußte gar nicht«, sagte er, »daß Madame de Saint-Paul so wohlgeboren ist. Selbstverständlich ändert das alles, und ich, der Herzog von Guise, kann sie nicht ausrauben lassen, ohne eine edle Familie zu verletzen. Siorac, Ihr habt recht. Eilt, Marquis. Eilt und sammelt Eure Männer. Ich gebe Euch Péricardzum Beistand mit und alles, was Ihr von meinen Leuten benötigt.«
    So wappneten wir uns denn, die fünfunddreißig Mann unserer Eskorte, welche Péricard um zehn der seinen verstärkte, und mit gezündeten Lunten marschierte unsere Truppe zu dem Haus beim Notre-Dame-Kloster, wo wir auf den ersten Blick erkannten, daß wir zu wenige waren gegen die Plünderer, von denen es dort wimmelte wie Ratten im Käse, so daß Péricard sofort einen Laufjungen zu Rousselet schickte, er möge mit den Bürgermilizen vom Westtor und den dreißig Soldaten herbeieilen, die der Herzog ihm zu seinem Schutz überlassen hatte.
    Was mich anging, so fürchtete ich angesichts dieses Packs für Madame de Saint-Paul das Schlimmste, und mit Miroul, Pissebœuf, Poussevent und sechs unserer wackersten Soldaten begab ich mich auf die Rückseite des Hauses, wo ich mit meinem Schlüssel die kleine Tür

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