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Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Euch, kommt. Euer sehr ergebener Diener
    Péricard.
     
    Ich gab den Brief Monsieur de La Surie, damit auch er ihn im Schein meines Feuerzeugs lese, dann hielt ich das Papier an besagte Flamme und ließ erst los, als sie meine Finger leckte.
    »Mein Freund«, sagte ich zu dem Boten, »versichert Péricard, daß wir dort sein werden.« Worauf ich ihm einen Sou gab, für welche Freigebigkeit Monsieur de La Surie mich tadelte, schließlich habe der Mensch nur seinem Herrn gehorcht.
    Am Kloster Saint-Pierre-les-Dames angelangt – so geheißen, sagte mein Führer, weil dort Benediktiner-Nonnen lebten –, betrat ich die Kirche und postierte meine kleine Truppe nahe dem Ausgang, damit sie nach dem
Ite, missa est
schnell hinauskäme.
    Nicht lange, und auch die hohen Herren trafen ein, als erster zu meinem Erstaunen Herr von Mayenne, allerdings in einer Sänfte, weil er so fett, gichtig und sogar schlagflüssig war, obwohl doch mit seinen knapp Vierzig jünger als ich. Doch erfraß für drei, ging zeitig zu Bett, schlief wie ein Murmeltier, erhob sich spät, und um zu erklären, warum er ihn im Krieg immer geschlagen hatte, sagte Henri Quatre: »Mein Cousin Mayenne ist ein großer Hauptmann, aber ich stehe früher auf.«
    Seit der Ermordung seiner Brüder auf Schloß Blois war Mayenne der unbestrittene Chef der Liga und dank der revoltierenden Pariser zudem Generalleutnant von Frankreich geworden; dennoch war er bei den »Sechzehn« schlecht angesehen gewesen, weil er diejenigen von ihnen hatte hängen lassen, die die Hinrichtung des Gerichtspräsidenten Brisson betrieben hatten. Und seit jenem Tag hieß er bei ihren stürmischen Beratungen nur mehr »der dicke Eber Mayenne, der sich auf seiner Hure fläzt«.
    Was die Spanier anging, die ihn im Namen der Heiligen Liga eigentlich mit Waffen und Geldern unterstützen sollten, so sparten und knauserten sie mit ihrer Hilfe, seit sie ihn verdächtigten, er wolle sich dem König anschließen. Was Mayenne nach der Bekehrung Henris auch getan hätte, hätte dieser ihn in der Generalleutnantschaft des Reiches bestätigt – die ihm freilich von rebellischen Untertanen verliehen worden war und nicht vom Souverän. Was nun das Volk anlangte, das seinen Vater François und seinen Bruder Heinrich angebetet hatte, weil es große, schlanke und elegante Männer gewesen waren, schön von Angesicht und mit liebenswürdigen Manieren, so hatte es nicht viel übrig für diesen tonnenförmigen Griesgram von Herzog, der von seinem Geblüt und Rang schrecklich eingenommen war und mit huldreichen Grüßen und Freigebigkeiten geizte. Dabei fehlte es Mayenne nicht an Geist noch an füchsischer Schläue, nicht an militärischer Weisheit noch politischem Geschick. Weil er aber nur sein Eigeninteresse im Auge hatte, war selbst sein Ehrgeiz noch beschränkt, passiv und unentschieden, gichtlahm gleichsam und in Fett versackt.
    Kaum hatte er sich in der ersten Reihe neben seiner Tante, der Äbtissin, in einem extra großen Sessel niedergelassen (seine Schenkel wären über einen normalen Lehnstuhl hinausgequollen), als ich durch die Mitte des Schiffes Seite an Seite, in gleicher Größe, Guise und Saint-Paul kommen sah, den echten Herzog und den falschen, wobei jeder der beiden den anderen heimtückisch zu überholen versuchte, um als erster die erste Reihe zu erreichen.
    Weil mir am Gang Saint-Pauls etwas merkwürdig Starres aufgefallen war, glitt ich, sobald die Messe sich dem Ende näherte, durch die stehende Menge zu Péricard.
    »Sagt Eurem Herrn«, flüsterte ich ihm zu, »er möge sich versichern, ob Saint-Paul ein Kettenhemd trägt, bevor er ihn herausfordert.«
    Péricard nickte, ich kehrte an meinen Platz neben dem Weihwasserbecken zurück, und als nach Schluß der Messe die beiden Herzöge unweit von mir durch den Mittelgang schritten, sah ich, wie Guise Saint-Paul vorangehen ließ, um zu hören, was Péricard ihm zuraunte, worauf er bejahend nickte und undurchdringlichen Gesichts das Weihwasser nahm, das Saint-Paul ihm mit den Fingerspitzen reichte.
    Sosehr wir uns auch beeilten, die Kirche gleich nach ihnen zu verlassen, wurden wir doch von Guises Leuten überholt, dann abgedrängt von Saint-Pauls Gefolge, Baron de La Tour an der Spitze etlicher Schweizer. Der Baron wirkte ziemlich unruhig, vielleicht wegen Bahuets Ermordung, und ich war es angesichts der Schweizer nicht minder, weshalb ich Pissebœuf zwinkernd auf sie hinwies als den schwersten Brocken, den die Unseren zu kauen bekämen,

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