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Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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unvergleichlichem Glanz – unvergleichlich, sage ich – in zwei Bereichen, die ihnen heute den neidvollen Haß der Priester und der Sorbonne eintragen …«
    »Und die sind?« fragte Monsieur de La Surie, weil Fogacer eine Pause einlegte.
    »Beichte und Unterricht.«
    »Beichte?« fragte Monsieur de La Surie, und sein braunes Auge sprühte, das blaue blieb kühl, »das wundert mich. Ich beichte einmal im Jahr, und das läuft jedesmal nach demselben Schema ab: Mein Sohn, welches sind Eure Sünden? – Mein Vater, das und das. – Mein Sohn, das sind große Sünden. – Mein Vater, ich bereue. – Mein Sohn, Ihr werdet zehn
Pater
und zehn
Ave
beten. Und vergeßt nicht ein Almosen für meine Armen. – Hier ist es, mein Vater. – Mein Sohn, ich erteile Euch Absolution.«
    »Ha!« sagte lachend Fogacer, »das nennt man auf italienisch
caricare il ritratto
! 1 Fraglos gibt es solche Pfarrer in Paris, doch sind ihre Beichtabnahmen im Vergleich mit denen der Jesuiten, was der grandiose David des Michelangelo im Vergleich mit einem selbstgeschnitzten Hirtenstab ist!
Mi fili, crede mihi experto Fogacero!
2 Denn eines Tages wollte ich es wissen und fragte einen Jesuiten, den ich mit offenen Augen und Ohren um Monseigneur Du Perron hatte kommen und gehen sehen, ob er mir die Beichte abnehmen wolle. Er willigte ein, und kaum waren wir allein, spielte er die ganze Tonleiter vertraulichster Freundschaft, war so zugänglich, so liebenswürdig, ja so einschmeichelnd, als er mir die wohlwollendsten Fragen sowohl über mich wie über meine Freunde und meinen Herrn Du Perron stellte, daß ich, der ich doch ihn hatte einschätzen wollen, mich augenblicks durchschaut fühlte bis zum Grund, mit einem Wort, ich war von seiner Kunst und seinen Zaubermitteln derart umsponnen, daß ich ihm um ein Haar gestanden hätte, daß ich schwul bin. Du magst dir ausdenken,
mi fili
, was diese Schlange aus meinem Geheimnis gemacht hätte! Ständig hätte er über meinem Haupt ein Schwert schweben lassen, um mich zu erpressen, mich zu seiner Kreatur und seinem Spion im HauseMonseigneur Du Perrons zu machen. Ich schlotterte vor Angst, als er meine Wohnung verließ, und habe Jeannette strikt verboten, wenn sie ihn durchs Guckloch erblicken sollte, ihm noch jemals die Tür zu öffnen, denn ich hatte sehr wohl beobachtet, wie äußerst neugierig er die Ärmste beim Kommen und beim Gehen betrachtete, besonders ihre Hände und Füße, die für ein Frauenzimmer ja in der Tat ein bißchen groß sind.«
    »Ein Abenteuer, das ich mir merken werde«, sagte ich, »denn auf ähnliches muß auch ich gefaßt sein, wenn ich mir über sie Klarheit verschaffen will.«
    »Dann behüte dich Gott,
mi fili
!« sagte Fogacer. »Diese Leute haben das Beichten zu einer Kunst entwickelt, nicht allein, daß sie es verstehen, deine Seele am Haken zu fassen, beglücken sie dich durch ihr Eindringen in dein Innerstes in einer Weise, daß du dich ihnen immer noch mehr öffnen möchtest. Deshalb kehren mittlerweile alle vornehmen Pariser dem Pfarrer ihres Sprengels den Rücken und drängen sich, ihre Sünden ihnen zu bekennen, dergestalt, daß niemand sich mehr in guten Händen wähnt, der nicht einem Jeuiten beichtet.«
    »Das muß die Pfarrer allerdings gegen sie erbittern«, sagte Monsieur de La Surie, »zumal es große Macht bedeutet, denn vermittels der Beichte schleicht sich der Beichtiger
sensim sine sensu
1 ins Innerste der Familie ein.«
    »Deren Kinder sie ohnehin schon unterrichten«, sagte Fogacer, »ihr kennt ja den hervorragenden Ruf ihrer Schulen. Aber wer könnte euch hierüber mehr erzählen als Jeannette, die hier in Paris, im Collège de Clermont, Rue Saint-Jacques, zur Schule ging?«
    »Ach!« rief Monsieur de La Surie wie erstaunt, ein spöttisches Lächeln in den Mundwinkeln, »die guten Patres haben am Collège de Clermont ein Mädchen zugelassen! Zwischen lauter Knaben! Ich glaube, ich träume.«
    »Herr Junker«, sagte Fogacer und spielte mit gesteilten Brauen den Wütenden, »hätte ich nicht vor langem das Schwert gegen das Skalpell getauscht, solltet Ihr mir für diese Frechheit Rechenschaft geben.«
    »Meine Herren! Meine Herren!« rief ich und gab in dem Spiel den Schiedsrichter, »laßt doch die Degen in der Scheide,bei Sankt Antons Bauch! Wer wird sich um das Geschlecht eines Frauenzimmers streiten, das gar keins haben kann, weil es ein Engel ist?«
    Worauf wir lachten.
    »Holla, Jeannette! Holla, mein Engel!« rief Fogacer, »komm her und sage den

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