Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)
welchem Namen Ihr mich von jeher gekannt.«
»Und geschätzt, Miroul, und geschätzt«, sagte Fogacer mit graziöser Verneigung. »Holla, Jeannette! Bring eine Flasche guten Meßwein!«
»Nanu?« fragte ich erstaunt, »ist das dieselbe Jeannette, die ich in Saint-Denis bei Euch sah?«
»Nein, eine andere«, sagte Fogacer. »Das schlimme an den Jeannettes ist, daß sie einen verlassen müssen, sobald ihnen mehr Bart am Kinn sprießt, als ihre Röcke ehrenhalber gestatten.«
»Ist es nicht immer ein Leidwesen«, sagte Monsieur de La Surie undurchdringlichen Gesichts, »sich von einer guten Kammerjungfer zu trennen?«
»Es tut weh, zweifellos«, sagte Fogacer, die schwarzen Brauen rümpfend, die fein gezupft und wie mit dem Pinsel gezogen waren, »aber was hilft es? Ich habe die Welt nicht erschaffen, die dafür mich geschaffen hat, wie ich bin. Und wie ich mich annehme«, setzte er mit trotziger Kopfbewegung hinzu. »Doch genug davon!
Mi fili
, was muß ich über dich hören!«
»Nämlich?«
»Du habest bei dem Mord an Saint-Paul mit Guise unter einer Decke gesteckt?«
»Unter einer Decke gesteckt, ist übertrieben. Ich habe den Degen des kleinen Herzogs nur nicht behindert.«
»Auch sollst du bei Madame de Saint-Paul, der du immerhin Leben und Habe gerettet hast, grausam abgeblitzt sein?«
»Stimmt.«
»Aber gedrängt von dir, hat sie Mézières dem König übergeben?«
»Stimmt auch.«
»Und schließlich hast du ihr das hübscheste ihrer Mädchen entführt?«
»Sankt Antons Bauch!« rief ich verblüfft, »woher weißt du das, Fogacer? Es war stockfinster, als wir in Paris eintrafen, und niemand am Hof weiß etwas von Louisons Ankunft hier.«
»Die Kirche«, versetzte ernst Fogacer, »weiß immer mehr als der Hof. Und ich bin gewissermaßen Kirche, da ich über die heiligen Innereien eines Bischofs wache.«
»Vielleicht, Moussu«, sagte La Surie, »hat ein Mann Eurer Eskorte geredet, und ein Priester hat es aufgeschnappt. Priester machen gern lange Ohren.«
»Meine sind auch lang«, sagte Fogacer mit seinem gewundenen Lächeln. »Und meine Zunge kann es werden, wenn meine Freunde mir genug zusetzen. Sprich,
mi fili.
Ich sehe deine Wangen gleichsam von Fragen geschwellt.«
»Nur von einer, Fogacer!« sagte ich lächelnd. »Aber einer, die es in sich hat. Was denkst du über die Jesuiten?«
»Gebenedeite Jungfrau!« rief Fogacer, die Brauen steilend, »die Jesuiten! In welches Hornissennest willst du jetzt wieder die Nase stecken?«
FÜNFTES KAPITEL
Und bei diesen Worten steilte Fogacer die Brauen, hob die spinnenlangen Arme gen Himmel und ließ sie graziös auf seine Sessellehnen sinken.
»Die Jesuiten, mein Pierre«, sagte er mit seiner Flötenstimme, »sind wie die Zungen des Äsop: Es gibt nichts Besseres und nichts Schlimmeres auf Erden.«
»Nichts Besseres?« fragte ich staunend.
»Zweifellos. In erster Linie sind sie fabelhaft gelehrt und sprechen ein Ciceronisches Latein, angesichts dessen unsere Pfarrer sämtlich vergehen müßten vor Scham, wenn sie es denn verstünden. Mehr noch, sie verstehen sich ebensogut auf fremde Sprachen, und kaum haben sie den Fuß in ein fernes Land gesetzt, lernen sie das Idiom der Eingeborenen, denn mit dem Wissen, in welchem ihnen die Palme gebührt, geben sie sich längst nicht zufrieden. Sie sind verwegene Reisende, die vor nichts zurückschrecken, nicht vor Piraten noch vor Meeren oder Wüsten. Den Degen führen sie meisterlich, wer wüßte es besser als du,
mi fili
, der du mit Samarcas die Klinge kreuztest, wobei er dir deine Jarnac-Finte abzuluchsen versuchte, ohne dich die seine zu lehren, die berüchtigte Jesuitenfinte nämlich, welcher der arme Mundane und viele andere zum Opfer fielen. Wo aber Eisen machtlos ist, glänzen sie mit ihrer wohlgeschliffenen Sprache, und im wendigen und finessenreichen Verhandeln sind sie unübertrefflich. Ihre Glaubenstreue ist ehern. Sie beweisen sich als furchtlose Proselyten, und um die Indianer zum wahren Glauben zu bekehren – oder was sie dafür halten«, fügte Fogacer mit gewundenem Lächeln ein –, »scheuen sie nicht Marterpfahl noch Scheiterhaufen. Und, um es nicht zu verschweigen: Oft genug gehen sie derweise zugrunde, doch nicht in Todesnöten, sondern vielmehr in der freudigen Zuversicht, vermittels ihrer Henker die Märtyrerkrone zu erringen.«
»Wahrhaftig«, sagte ich, »all das ist bewundernswert.«
»Und ist doch noch nichts«, sagte Fogacer. »Denn die Jesuiten erstrahlen in
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