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Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Dankbarkeit bewahrt hätte für ihren guten Unterricht. Aber von Stund an fühlte ich mich belauert und beargwöhnt, und als der ehrwürdige Doktor Fogacer mich in seinen Dienst zu nehmen geruhte, war ich überglücklich, ihm folgen zu dürfen.«
    Hiermit machte uns Jeannette einen Knicks von etwas linkischer Grazie und ging.
    »Wirklich«, sagte La Surie, »da habt Ihr eine sehr gelehrte Kammerjungfer, die Euch lateinisch radebrecht wie ein Pfaffe.«
    »Ihr Latein war es auch«, sagte Fogacer ohne ein Wimpernzucken, »das mich als erstes fesselte.«
    »Das dachte ich mir«, sagte La Surie, der den Spott aber, gottlob, nicht weiter trieb.
    »Nun denn, Fogacer, mein Freund«, sagte ich, als die beiden mich stumm anblickten, »ist das nun, wie die Zungen des Äsop, das Beste und das Schlimmste der Jesuiten?«
    »Das Beste schon«, sagte Fogacer, »doch nur ein kleiner Teil vom Schlimmsten. Doch was das angeht«, setzte er, die Brauen wölbend, hinzu, »so erwartet von mir nicht, daß ich mich darüber auslasse, der ich von christlicher Barmherzigkeit durchdrungen bin und von meinem Nächsten nur Gutes denken möchte. Außerdem fürchte ich nichts so sehr wie die Devoten und Bigotten, die ich für unerbittliche Leute halte, und möchte, nicht einmal vor meinem besten, mir so vertrauten und unwandelbaren Freund Übles über sie reden. Nach dem Schlimmsten,
mi fili
, fragt bitte einen Unvorsichtigeren als mich.«
    »Pierre de l’Etoile?«
    »Ach, nein! Hinsichtlich der Jesuiten ist L’Etoile sehr zurückhaltend, so mutig er auch in politischen Dingen sein mag. Nein, ich dachte an den großen Advokaten, der die Sache der Sorbonne gegen die heilige Gesellschaft verficht.«
    »Antoine Arnaud?«
    »Genau den.«
    Ich nahm mir vor, Maître Antoine Arnaud gleich am nächsten Tag aufzusuchen, konnte es aber nicht, denn gegen zehn Uhr erhielt ich gebieterische Zeilen der Herzogin von Guise, von ihr eigenhändig und in ihrer kuriosen Orthographie abgefaßt:
     
    Meusieu,
    Ich bin euch tötligböse das Ihr mih deart fernachläßigt. Schohn dreitage seit Ihr In Paris, un Nochimmerkein besuch fon euch! Wen Ihr nich heutigtags komd un mir um elfur zufüsen werfd, dürft Ihr euch nie mer mein egebenendiner nenen. Catherine,
    Herzogin von Guise
    Mochte dieses Billett auch bemitleidenswert aussehen, schmeichelte es doch meiner Eitelkeit, daß die kleine Herzogin nach mir verlangte, ohne daß für unser Gespräch der geringste Anlaß bestand. Schließlich war so viel Zeit verstrichen, seit ich Reims verlassen hatte, um vor Laon zu kämpfen, daß sie durch ihre Kuriere längst wissen mußte, was sich zwischen Saint-Paul und ihrem Sohn Charles, beziehungsweise zwischen diesem und dem König, abgespielt hatte. Zudem mußte Frau von Guise selbst gespürt haben, daß sie mit diesem in der Formulierung so strengen, im Grunde aber so liebreichen Briefchen sich weit vorwagte, weil sie sich nicht getraut hatte, es einemSekretär zu diktieren, sondern es mit der eigenen molligen, aber ungeschickten Hand hingekrakelt hatte.
    Wie man sich denken kann, stellte ich mich natürlich mit erschwindelter Demut und sämtlichen Anzeichen der Reue (auf welche sie nicht hereinfiel) Schlag »elfur« bei ihr ein und nützte den Elan meines tiefen Bedauerns, mich ihr »zufüsen« zu werfen, ihre beiden Patschhändchen zu ergreifen und diese mit zerknirschten Küssen zu bedecken.
    »Ha, Madame!« sagte ich, »ich wäre untröstlich, wenn Euer Herz sich dauerhaft gegen den ergebensten und liebendsten Eurer Diener verhärten würde.«
    »Liebend ist zuviel, Monsieur«, sagte die kleine Herzogin und gab sich etwas hochfahrend, unternahm aber nur wenig, mir ihre Hände zu entwinden, die ich, immer zwischen zwei Worten, glühend küßte. »Hört, Monsieur«, fuhr sie fort, »Ihr werdet mich noch böse machen. Gebt meine Hände frei, setzt Euch bitte hier auf das Taburett und erklärt mir, wie es möglich ist, daß Ihr schon drei Tage in Paris seid und mich erst jetzt, und erst auf meinen Befehl hin, besuchen kommt.«
    »Madame«, sagte ich, die Augen bußfertig gesenkt, »Ihr seht mich verzweifelt, aber vor meiner Abreise von Laon gab mir der König einen geheimen Auftrag, der keinen Aufschub duldete. Doch war ich just im Begriff, Euch zu schreiben und um ein Gespräch zu bitten, als Euer streitbares Billett mich erreichte.«
    »Streitbar, Monsieur!« rief sie, wiederum hochfahrend, »habt Ihr die Stirn, das streitbar zu nennen? Ihr wißt wohl nicht, daß ich nur mit

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