Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
Vom Netzwerk:
das nur Eure Meinung?«
    »Durchaus nicht!« rief Courtil in streitbarem Ton. »Ihr dürft versichert sein, daß dies die Meinung aller Pfarrer und aller Bischöfe ist: der ersteren, weil die Jesuiten ihnen die Beichtkinder wegnehmen. Der zweiten, weil die Jesuiten ihre Weisungen verachten. Deshalb haben wir Teil an dem Prozeß, den die Sorbonne gegen diese verwünschte Sekte führt, damit sie verjagt wird aus dem Reich und heimkehrt, wo sie hingehört: nach Spanien.«
    Beinahe hätte ich »Amen« gesagt, doch ich schwieg, wollte ich doch nicht, daß Pfarrer Courtil sich meiner Zustimmung rühmen könne. In dieser Affäre bewegte ich mich auf Katzenpfoten, die Ohren gespitzt und den Schnurrbart gesteilt, denn ich durfte mich nicht als Feind der Jesuiten darstellen, brächte mir dies doch ihrerseits eine Feindschaft ein, die sicherlich nicht harmlos wäre und mich bei meinen Nachforschungen nur behindern würde. Im übrigen, das sei hier unverhohlen gesagt, mißfielen mir weder die Sanftmut, mit welcher sie ihre Schüler behandelten, noch ihre neuen Lehrmethoden, noch die wunderbare Wendigkeit ihrer Talente als Beichtiger. Im Gegenteil. Gewiß erkannteich, daß ihre Geschmeidigkeit nur ein Mittel war. Ein Mittel auch ihr Reichtum. Und ebenso ein Mittel ihre erstaunliche Verführungskraft. Doch das endliche Ziel, dem diese Mittel dienten, stellte sich mir bisher nicht in klaren Konturen dar, obwohl mir allmählich etwas schwante, was ich aber noch nicht zu formulieren wagte, um keine voreiligen Schlüsse zu ziehen.
    Weil ich dem Pfarrer Courtil aus diesen Gründen nicht beipflichten konnte, fand ich ihn abermals mit guten Worten und vor allem mit einer Spende von zehn Ecus ab, die er sofort einsackte, und wieder einmal konnte ich nur staunen, wie tief die Taschen einer Soutane sind, denn um, sagen wir, nur ein Schnupftuch herauszuziehen, muß die Hand hinein bis zum Ellbogen.
    »Moussu«, sagte Miroul grinsend, nachdem Courtil gegangen war, »wißt Ihr, daß Monsieur de l’Etoile die ganze Zeit in Lisettens Kammer festsitzt, weil er dem Pfarrer nicht vor Augen kommen wollte?«
    »Wem behagte ein so angenehmer Kerker nicht?« sagte ich lachend. »Lauf, Miroul, befreie ihn. Auf daß seine Frau Gemahlin sich wegen seines langen Ausbleibens nicht sorge.«
    Du kannst dir denken, Leser, daß ich L’Etoile, kaum daß er erschienen war und wir die üblichen Komplimente gewechselt hatten, auf den großen Prozeß anzusprechen versuchte, der Hof und Stadt beschäftigte, doch ängstlich wie ein Hase, blieb mein guter L’Etoile gänzlich zugeknöpft und moralisierte nur wie gehabt über den Verfall der Sitten, war er in seiner Kritik doch nie so streng, als wenn er sich in den Armen meiner Kammerjungfer ergangen hatte. Aber auch wenn er wie stets seinen bitteren Mund zog und die Brauen düster krauste, schien mir in seinen Augen ein Rest von Sinneslust zu glimmen, die sein Reden Lügen strafte.
    Immerhin aber gab er über Ignatius von Loyola eine Anekdote zum besten, die freilich auf keiner Seite seines berühmten Tagebuchs zu finden ist, und ich denke mir, daß er sie nicht etwa vergessen hat, sondern daß er sie zensierte, weil sie den Gründer der Gesellschaft Jesu nicht im besten Lichte zeigt.
    »Mein lieber Siorac«, sagte er, »es wird Euch nicht unbekannt sein, daß der heilige Ignatius von Loyola ursprünglich Hauptmann im spanischen Heer war. Deshalb gab er später dem obersten Chef des Ordens, den er gründete, den NamenGeneral. 1 Und daß sein böses oder eher gutes Geschick es wollte, daß er durch Granateneinschlag bei der Verteidigung Pamplonas gegen die Franzosen am rechten Bein verwundet wurde. Zuerst war er deshalb mächtig wütend auf uns, aber durch die Verwundung zum Hinkefuß geworden, fühlte er sich gleichzeitig von der Gnade erleuchtet und gab sowohl das edle Waffenhandwerk als auch das sehr liederliche Leben auf, das er bis dahin geführt hatte.«
    »Das wußte ich nicht«, sagte Miroul, »aber es freut mich zu hören, daß er wegen seiner Humpelei nicht wie vorher jedem Weiberrock nachlaufen konnte. Das rechte Bein einen Daumen kürzer, und schon beschreitet man den Weg der Heiligkeit …«
    »Herr Junker, erlaubt, daß ich fortfahre«, sagte Pierre de l’Etoile mit verkniffener Miene. »Auf dem Rücken eines Maultiers begab sich der also bekehrte heilige Ignatius nach Montserrat, um unter Francisco Jiménez de Cisneros die Theologie zu studieren, und er begegnete unterwegs einem gelehrten Mauren, mit

Weitere Kostenlose Bücher