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Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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meinem Latein am Ende. Und wenn du mir jetzt nicht unumwunden sagst, warum du gehen willst, verdammt, dann kann ich dir deinen Abschied nicht geben.«
    »Herr Marquis«, sagte sie wie entrüstet, »da wärt Ihr ein schöner Tyrann, wenn Ihr mir den nicht gäbt.«
    »Dann bin ich eben ein Tyrann! Oder aber du läßt mich wissen, warum du es dir in den Kopf gesetzt hast, ein Haus zu verlassen, wo du nicht viel Arbeit, aber guten Lohn hast und dich geachtet fühlst.«
    »Nicht von allen.«
    »Was?« sagte ich, »nicht von allen? Nenne mir den Schuft, der dich zu mißachten wagt!«
    »Herr Marquis«, sagte sie, größte Verwirrung im schönen Gesicht, »es ist kein Schuft, es seid Ihr.«
    »Ich?« fragte ich verblüfft. »Ich mißachte dich, Louison?«
    »Monsieur, seit fünf Tagen verriegelt Ihr mir Eure Tür beiTag und Nacht. Ich kann diese Tür schon nicht mehr sehen, so oft habe ich mich daran gestoßen.«
    »Ich war müde.«
    »Um Vergebung, gnädiger Herr, aber Ihr lügt ein bißchen.«
    »Vielleicht hatte ich Sorgen.«
    »Um Vergebung, gnädiger Herr. In den letzten drei Tagen bin ich Euch jedesmal um die Mittagsstunde bis zu einer gewissen grünen Tür nachgefolgt, zu welcher Ihr den Schlüssel habt.«
    »Donnerschlag! Das ist Verrat!« rief ich zornig.
    »Monsieur«, sagte sie ungerührt, »das ist kein Verrat. Ich weiß nicht, wer dort wohnt, und will es auch nicht wissen. Das geht mich nichts an. Ich bitte um meinen Abschied, weil ich mich von Euch gekränkt fühle. Nicht, weil Ihr Eurer Wege geht, sondern weil Ihr mich nicht mehr begehrt.«
    Das verschloß mir den Mund, und es nötigte mich zu einiger Einkehr bei mir selbst. Weil eine Kammerjungfer von tief unten kommt, uns dient und sich unseren Begierden willig hingibt, vergessen wir, daß auch sie eine Frau ist und ebenso eifersüchtig und verletzlich in ihrer Ehre wie eine hohe Dame. Wenn ich es recht bedenke, handelte meine arme Louison nicht unvernünftig und nicht ohne Würde.
    »Louison«, sagte ich sanftmütig, indem ich mich erhob, »verzeih mir bitte, wenn ich dich ohne böse Absicht gekränkt habe. Es ist wahr, daß ich eine Dame liebe und an keine andere mehr denken kann. Wenn du deshalb gehen willst, steht es dir frei. Ich gebe dir deinen Abschied und dazu ein gutes Wegegeld, das dir als Mitgift dienen mag, wenn du dich verheiraten willst. Trotzdem sollst du wissen, daß ich dich mit großem Bedauern freigebe, denn ich schätze deine Ergebenheit sehr und bin dir sehr zugetan.«
    »Ich Euch ja auch!« rief sie und faßte meine Hände, Tränen in den Augen. »Ach, gnädiger Herr!« fuhr sie fort, »einen besseren Herrn als Euch finde ich auf der Welt nicht mehr, so großmütig, freigebig, nachsichtig, heiter und immer einen Scherz auf den Lippen und gegen mich so zärtlich und liebevoll.«
    Vor Überraschung, daß sie mich lobte, wie ich für gewöhnlich die Frauen lobe, mit der Schöpfkelle nämlich, konnte ich sie nur stumm umarmen und auf beide Wangen küssen, undehrlich gestanden, hatte ich selber feuchte Augen, als ich die Tür hinter ihr schloß. Was? werden Sie sagen, Tränen wegen einer Kammerjungfer, weinen um eine nichtige Liebelei! Ach, Leser, das Menschenherz ist sonderbar. Solange Louison da war, schien es mir selbstverständlich, mit ihr zu schmusen, wann immer ich Appetit auf sie hatte, so daß ich dieser Bequemlichkeit nicht den Wert beimaß, der ihr gebührte. Doch sowie ich begriff, daß ich sie nun verlor, fühlte ich mich plötzlich verlassen in meinem Haus und um meine angenehmen Gepflogenheiten gebracht, so verliebt ich in meine hübsche Herzogin auch war und so treu ich ihr auch zu bleiben gedachte.
    Am Tag darauf ging meine arme Louison, zwar durch mein Wegegeld erleichtert, doch ebenso gegen ihr Gefühl, wie ihr Abschied mir widerstrebte. Ich gab ihr einen Brief an Péricard mit, um ihm Glück und Erfolg bei den Verhandlungen zu wünschen, die er mit den Abgesandten des Königs zur Übergabe von Reims führte, und geleitete sie mit allem Gesinde bis an unser Tor.
    Zum Glück blieb mir keine Zeit, ihr lange nachzutrauern, denn ein Billett von Maître Antoine Arnauld, das Franz mir übergab, änderte den Lauf meiner traurigen Gedanken, indem es mich einlud, den großen Advokaten um zehn Uhr zu besuchen. Und wer gesellte sich durch glücklichen Zufall dieser guten Nachricht zu, wenn nicht mein spinnenhafter Fogacer in seinem schwarzen Kleid, ein Lächeln auf den Lippen.
    »Ha,
mi fili
!« sagte er, als er hörte, mit wem ich

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