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Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Dank schulde, die aber meine Seele doch unendlich dürsten läßt! Nein, nein! Mein Dasein – wie ich es von dem Ihren nicht hoffe – war öde wie Arabiens Wüste, als am flirrenden Horizont jene Oase, ein so frisches und klares Wasser auftauchte, daß ich mich auf einen Schlag verliebte wie lange nicht mehr.
    Doch nun hören Sie meinen Miroul, als ich schließlich in die Rue du Champ Fleuri heimkam.
    »Ach, Moussu! Da seid Ihr! Vier gräßliche Stunden hat sich Euer Teller nun langweilen müssen! Hat die Herzogin Euch gefüttert?«
    »Nein.«
    »Dann muß Euer Gespräch so fesselnd gewesen sein, daß sie es vergaß.«
    »Das war es.«
    »Aber, Moussu, bitte, setzt Euch doch. Vier Stunden! Vier volle Stunden, ohne einen Bissen zu essen, ohne einen Schluck zu trinken! Beim Ochsenhorn! Langt zu! Ihr seht ausgelaugt aus. Moussu, warum sagt Ihr nichts? Träumt Ihr? Der Kapaun ist vorzüglich, nehmt nur, nehmt! Und kostet den Bayonner Schinken. Ist er nicht zart? Na, Gott sei Dank, Ihr eßt für vier, vier ungegessene Stunden. Wahrlich, es ist kein Wunder, daß Ihr so stumm seid, Ihr müßt Euch die Zunge ja fusselig geredet haben bis zur Wurzel bei Eurer guten Herzogin.«
    »Was soll das, Miroul?« sagte ich schroff.
    »Ich meine, Ihr werdet so viel haben sprechen müssen, daß Ihr nicht mehr Piep sagen könnt.«
    »In der Tat.«
    »Moussu, störe ich? Wollt Ihr allein sein mit Eurem Braten? In Eurem eigenen Saft schmoren? Oder wollt Ihr mir vielleicht begreiflich machen«, setzte er hinzu, indem er aufstand, »daß ich nicht mehr Euer inniger Freund und Vertrauter bin?«
    »Mein Miroul«, sagte ich, indem ich ihn rasch bei der Hand faßte, »mein Freund bist du und wirst es immer bleiben, und es ist keiner, der mir näher steht. Aber …«
    »Aber mit Vertrauen nichts da!« sagte lachend Miroul, »weil Ihr es geschworen habt. Moussu, das genügt. Ich verstehe. Glück will Verschwiegenheit. Ha, mein Pierre! Wie freue ich mich für dich ob dieses Schweigens!« fuhr er fort, indem er mich auf beide Wangen küßte. »Wahrhaftig, sah ich es doch auf den ersten Blick! So abgekämpft, aber die Augen voller Leben und doch wie im Traum, die Miene entspannt, und im Gang etwas Federndes, auch wenn die Glieder lahm sind! Und zu alledem kein Wort! Kein Sterbenswörtchen! Was schon an sich ganze Bände spricht. Und das dir, mein Pierre, der für gewöhnlich nicht auf den Mund gefallen ist! Ich kann es kaum glauben. Trotzdem, ein Wörtlein nur, Herr Marquis!«
    »Herr Junker, ich höre.«
    »Es kann nicht sein, daß Ihr mit der guten Herzogin in diesen verflossenen vier Stunden nicht irgend etwas gesprochen habt, was
ad usum puerorum
1 taugen sollte.«
    »Ich habe ihr von Reims erzählt. Die Geschichte kennst du so gut wie ich. Und sie hat mir von ihrem jesuitischen Beichtvater erzählt.«
    »Ach! Ein ergiebiges Thema!«
    Hierauf, da er mich mehrmals drängte, gab ich ihm zum besten, was er mit steigendem Ergötzen hörte, je mehr es sich um die
wahr scheinenden
Meinungen drehte.
    »Mein Pierre!« sagte er, »man muß doch staunen, was es für Zufälle gibt! Während die hübsche Herzogin Euch von ihrem Beichtiger erzählte, wollte Euch der Pfarrer von Saint-Germain-l’Auxerrois besuchen, und enttäuscht, Euch nicht anzutreffen, sagte er, daß er Schlag vier Uhr wiederkäme.«
    »Mein Gott!« sagte ich mit einem Blick auf meine Uhr. »Es ist gleich soweit! Und den Teufel auch, wenn ich wüßte, wasder gute Mann von mir will, höchstens daß er mich emsiger in der Kirche zu sehen wünscht.«
    Ich hatte tatsächlich kaum den letzten Bissen hinuntergeschluckt, als Franz den Herrn Pfarrer Courtil hereinführte. Ich erhob mich, ging ihm lachenden Gesichts entgegen und versicherte ihn, seine Rechte drückend, meiner guten Freundschaft, wobei ich gewahrte, daß sein Gesicht sehr besorgt aussah.
    Besorgt, sage ich, nicht etwa umgetrieben, denn der stämmige Pfarrer Courtil erweckte nicht den Anschein, sich mit metaphysischen Ängsten zu plagen. Sein breites Gesicht glänzte rot wie Schinken, und die blanken schwarzen Augen, der rote Mund, die kräftigen Kiefer verrieten samt dem Schmerbauch, der seine Soutane lieblich rundete, daß er mit beiden Beinen im Diesseits stand.
    Nach den Barrikaden und während der Pariser Belagerung hatte er ligistische Predigten gehalten, aber ohne in exzessive Schimpfkanonaden zu verfallen, wie so viele andere. Und da er beim Einzug des Königs sich dem Troß der spanischen Garnison nicht angeschlossen hatte,

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