Der Tag Delphi
Seine Hand verharrte kurz vor der Türklinke. »McCracken? Um den kümmern wir uns, wenn er Sie befreien will.«
»Ich glaube nicht, daß er mich befreien wird, Herr General. Ich vermute, er wird eher Sie aufhalten. In Washington.«
Cantrell versuchte, zuversichtlich dreinzuschauen. »Dann wird er dort sterben, genau wie alle anderen auch, die uns Widerstand leisten.«
»Das werden wir ja sehen, General.«
»Ja, Sir, das werden wir, denn Mr. Dodd hat für eine Satellitenschaltung gesorgt, die es uns ermöglicht, die Ereignisse des morgigen Tages zu beobachten. Ich habe Ihnen einen Platz in der ersten Reihe reserviert.«
FÜNFTER TEIL
DIE SCHLACHT UM
WASHINGTON
Washington:
Samstag, 23. April 1994, 12 Uhr
Vierunddreißigstes Kapitel
»Willst du damit sagen, das sind die einzigen Leute, die du auftreiben konntest?« Kristen Kurcell schüttelte den Kopf. »Bei all deinen Kontakten hast du nichts Besseres aufzubieten?«
McCracken lehnte sich in seinem Sitz im Erste-Klasse-Abteil des Metroliners nach Washington zurück. Jetzt, wo sie die Union Station in ein paar Minuten erreichen würden, hatte er Kristen endlich verraten, wer sie, wie er hoffte, in der Hauptstadt erwarten würde. Ihre Reaktion hatte ihn nicht sehr überrascht.
»Wir müssen erst einmal abwarten, ob ich überhaupt etwas erreicht habe«, sagte er ehrlich.
Kristens Gesicht nahm erneut einen schockierten Ausdruck an. »Willst du damit sagen, du bist dir nicht einmal sicher, ob sie wirklich kommen?«
»Ich fürchte, nein.«
Blaine mußte wieder an den zweiten Telefonanruf denken, den er am gestrigen Tag von Bota Matabus kleiner ANC-Station dreißig Autominuten von Whiteland entfernt getätigt hatte.
»Sie sind wohl völlig bescheuert, Mann!« hatte die Stimme am anderen Ende der Leitung auf Blaines Bitte hin erwidert.
»Das ändert nichts an der Tatsache, daß Sie vielleicht die letzte Hoffnung dieses Landes sind.«
Auf die kurze Stille war ein herzhaftes Lachen gefolgt. »Die letzte Hoffnung des Landes? Das wäre ja ein Ding … Verdammt, vielleicht sollte ich mich einfach auf die Ersatzbank setzen und das Spiel als Zuschauer genießen.«
»Es wird Ihnen nicht gefallen, wenn es vorbei ist, weil dann nicht mehr viel übrig ist. Nur noch ein Alptraum, das Ende all dessen, an das Sie jemals geglaubt haben. Muß ich Sie daran erinnern, daß Sie mir noch einen Gefallen schulden?«
»Das mußte ja kommen!«
»Ihr habt eure Gelegenheit vor fünfundzwanzig Jahren verpaßt. Heute ist euer großer Tag, denn ihr bekommt eine neue Chance – indem ihr dabei helft, eine Gruppe aufzuhalten, die das genaue Gegenteil beabsichtigt.«
»Hat Ihnen schon mal jemand gesagt, daß das Zeitalter des Wassermanns vorbei ist, Mac?«
»Es wird mehr als nur das vorbei sein, wenn ich keine Hilfe organisieren kann.«
Sofort nach dem Anruf hatte McCracken begonnen, einen Plan auszuarbeiten, wie es ihm und Kristen möglich sein würde, in die Vereinigten Staaten zurückzukehren. Da er davon ausging, daß Delphi nach ihm suchte, hatte er Matabus Angebot abgelehnt, ihn heimlich mit einem Diplomatenflug ins Land einzuschleusen. Blaine hatte sich statt dessen für eine umständlichere Reiseroute entschieden. Danach sollten Kristen und er sich in London einer Reisegruppe nach New York anschließen, von wo aus sie mit diesem Metroliner in die Hauptstadt gelangen konnten. Insgesamt hatte die Reise nervenaufreibende siebenundzwanzig Stunden gedauert, woran nicht zuletzt Kristens mangelnde Geduld verantwortlich war.
»Was ist mit der verdammten Armee?« bohrte sie weiter. »Mit all deinen alten Freunden? Wäre das nicht eher eine Aufgabe für sie?«
»Vielleicht, aber ich weiß nicht, wem ich vertrauen kann«, erklärte Blaine. »Du vergißt, daß höchste Militärkreise in diese Sache verwickelt sind. Und du kannst darauf wetten, daß jeder in der Umgebung von Washington, der uns helfen könnte und nicht zu Delphi gehört, weit weg zu einer Übung oder auf Manöver geschickt wurde.«
Kristen lehnte sich zurück und seufzte. »Sie haben offenbar an alles gedacht.«
»Nicht ganz«, schränkte McCracken ein.
McCracken hatte den Fahrer gebeten, sie auf der Constitution Avenue in der Nähe des Lincoln Memorial abzusetzen. Der schöne frühlingshafte Samstag morgen hatte die Touristen in Scharen angelockt, doch keinem von ihnen war klar, was in ein paar Stunden auf die Stadt zukommen würde. Die Mall selbst war mit Spaziergängern übersät. Ein paar junge Männer
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