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Der Tag der Ameisen

Der Tag der Ameisen

Titel: Der Tag der Ameisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Werber
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überlegt. Ihre Gegnerin scheint schnell und zäh zu sein und ihre Schläge so genau vorauszuahnen, daß sie sie genau in der Sekunde und an der Stelle abwehrt, wo sie sie plazieren will.
    Unter diesen Umständen ist eine Auseinandersetzung alles andere als wünschenswert.
    Sie dreht sich zu den Schaben um und erklärt, gegen diese Ameise nicht kämpfen zu können, da sie eine rote sei wie sie selbst.
    Ihr müßt uns entweder alle zwei aufnehmen oder keine.
    Über diese Ankündigung sind die Schaben nicht überrascht.
    Sie sagen ihr einfach, daß sie gesiegt habe. Das versteht Nr. 103 nicht. Also verklickern sie es ihr. Es habe keine Gegnerin gegeben, nie habe ihr eine Gegnerin gegenübergestanden. Ihr Gegenüber sei immer sie selbst gewesen.
    Das versteht Nr. 103 noch immer nicht.
    Die Schaben antworteten ihr, daß sie sie vor eine Zauberwand gestellt hätten, die mit einem Stoff überzogen sei, durch den man »sich selbst gegenübersteht«.
    Dadurch können wir viel über Fremde in Erfahrung bringen.
    Vor allem, wie sie sich selbst einschätzen, sagt die alte Schabe.
    Was gibt es für eine bessere Art, jemanden zu beurteilen, als ihn in eine Situation zu bringen, wo er offen zugibt, wie er auf seine eigene Erscheinung reagieren würde?
    Diese Zauberwand hätten die Schaben rein zufällig entdeckt.
    Die Reaktionen seien interessant gewesen. Einige Individuen hätten sich stundenlang mit ihrem eigenen Abbild geschlagen, andere hätten sich beschimpft. Die meisten hätten das Tier, das vor ihnen aufgetaucht sei, als »aggressionswürdig« eingestuft, da es keinen Geruch oder zumindest nicht denselben wie sie selbst gehabt habe.
    Nur wenige würden versuchen, mit ihrem eigenen Spiegelbild auszukommen. Von den anderen verlangen wir, daß sie uns akzeptieren, dabei akzeptieren wir uns nicht einmal selbst …. philosophiert die Schabengreisin. Warum solle man jemandem helfen wollen, der sich nicht einmal selbst helfen will? Wie solle man jemanden achten, der sich nicht selbst achtet?
    Die Schaben sind sehr stolz darauf, die »höchste Probe«
    erfunden zu haben. Ihrer Meinung nach gibt es kein einziges Tier, ganz gleich ob winzig klein oder riesengroß, das dem Anblick seines eigenen Spiegelbilds zu widerstehen vermöchte.
    Zur gleichen Zeit wie ihr Double wendet Nr. 103 sich wieder dem Spiegel zu.
    Offenbar hat sie noch nie zuvor einen gesehen. Einen Moment lang meint sie, daß dies sicher das größte Wunder ist, das sie je erlebt hat. Eine Wand, die ein anderes Ich erscheinen läßt, das sich auch noch gleichzeitig bewegt!
    Womöglich hat sie die Schaben unterschätzt. Wenn sie in der Lage sind, Zauberwände herzustellen, sind sie vielleicht tatsächlich die Herren der Finger!
    Weil du dich schließlich selbst angenommen hast, nehmen wir dich an; weil du dir schließlich selbst hast helfen wollen, wollen wir dir helfen, verkündet die alte Schabe.
     

170. DIE MÜDEN KRIEGER RUHEN AUS
     
    Laetitia Wells ging mit Jacques Méliès die Rue Phoenix hinunter. Neckisch faßte sie ihn am Arm.
    »Ich bin überrascht, daß Sie sich so vernünftig verhalten haben. Ich war mir nämlich sicher, daß Sie das nette alte Paar auf der Stelle verhaften würden. Normalerweise sind die Polizisten ja ziemlich schwer von Begriff und mit dem Festnehmen schnell bei der Hand.«
    Er machte sich los.
    »Menschenkenntnis war noch nie Ihre Stärke.« »Wie böswillig!«
    »Das ist doch normal. Sie hassen die Menschen! Sie haben nie den Versuch gemacht, mich zu verstehen. Sie sehen in mir bloß einen Hohlkopf, den man dauernd zur Vernunft bringen muß.«
    »Aber Sie sind doch ein großer Hohlkopf!«
    »Selbst wenn ich ein Hohlkopf bin, haben Sie noch lang nicht das Recht, über mich zu richten. Sie stecken voller Vorurteile.
    Sie lieben niemanden. Sie hassen alle Menschen. Um es Ihnen recht zu machen, ist es besser, man hat statt zwei sechs Beine und statt Lippen Mandibeln!« Er stellte sich dem jetzt harten lila Blick. »Sie verzogenes Kind! Sie geben dauernd damit an, daß Sie recht haben! Und ich bleibe sogar noch bescheiden, wenn ich im Unrecht bin.«
    »Sie sind doch bloß ein …«
    »… müder Mann, der zuviel Geduld mit einer Journalistin gehabt hat, die ihre Zeit damit verbringt, mich zu diffamieren, um sich bei ihren Lesern beliebt zu machen!«
    »Sie brauchen mich gar nicht zu beschimpfen, ich gehe.«
    »Ja, genau. Es ist ja soviel leichter, sich zu verdrücken, als sich die Wahrheit anzuhören. Und wohin wollen Sie gehen?
    Wollen

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