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Der Tag der Ameisen

Der Tag der Ameisen

Titel: Der Tag der Ameisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Werber
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andere führte ihr die künstlichen Pheromone zu, in welche die menschlichen Nachrichten übersetzt waren.
    Ramirez hatte sich vor sein Kommandopult gesetzt, drehte an mehreren Spornrädchen, überprüfte noch einmal die Leucht-anzeigen und stellte den Spannungsmesser ein. Alles war bereit. Er mußte nur noch das Programm anwerfen, das die menschlichen Worte in Ameisendüfte umsetzte. Sein Wörterbuch Französisch-Ameisisch umfaßte hunderttausend Wörter und hunderttausend Pheromonabstufungen.
    Der Ingenieur setzte sich vor das Mikrofon und sagte deutlich: Senden: Grüße.
    Er drückte auf einen Knopf, und auf dem Videobildschirm wurde das Wort in chemische Formeln umgesetzt, dann an die Duftphiolen weitergeleitet, die sich genau nach der Dosierung des Computerwörterbuchs entleerten. Jedes Wort hatte seinen eigenen Geruch.
    Die kleine Wolke mit der Nachricht wurde dank einer Luftpumpe in das Schlauchsystem befördert und gelangte unter die Glasglocke.
    Die Ameise bewegte ihre Antennen.
    Grüße.
    Botschaft angekommen.
    Ein Gebläse reinigte die Glocke von jeglichem störenden Geruch, damit ihre Antwort richtig aufgenommen wurde.
    Die Empfangsfühler vibrierten.
    Die Antwortwolke kam durch den durchsichtigen Schlauch zurück, gelangte bis zu dem Massenspektrometer und dem Chromatographen, der sie Molekül für Molekül zerlegte, um jeden flüssigen Bestandteil zu erhalten, der einem Wort entsprach.
    Nach und nach erschien auf dem Computerbildschirm ein Satz.
    Gleichzeitig ertönte er durch einen Stimmensynthesizer.
    Alle hörten sie die Antwort der Ameise.
    Empfangen: Wer seid ihr? Ich verstehe eure Pheromone schlecht.
    Laetitia und Méliès staunten. Der Apparat von Edmond Wells funktionierte tatsächlich!
    Senden: Du befindest dich in einer Maschine, die man zur Verständigung zwischen Ameisen und Menschen benutzen kann. Mit ihrer Hilfe können wir mit dir sprechen und verstehen, was du sendest.
    Empfangen: Menschen? Was sind Menschen? Eine Art Finger?
    Offensichtlich – und das war erstaunlich – war die Ameise von ihrer Maschine nicht im geringsten beeindruckt. Sie antwortete ohne Umstände und schien sogar diejenigen zu kennen, die sie als »Finger« bezeichnete. Das Gespräch konnte also beginnen. Arthur Ramirez griff zum Mikrofon.
    Senden: Ja. Wir sind die Verlängerungen der Finger.
    Die Antwort hallte aus dem Lautsprecher über dem Computer:
    Empfangen: Bei uns heißt ihr Finger. Ich nenne euch lieber so.
    Senden: Wie du willst.
    Empfangen: Wer seid ihr? Ich nehme an, ihr seid nicht Doktor Livingstone …
    Alle drei waren verblüfft. Wie konnte eine Ameise von Doktor Livingstone gehört haben, und noch dazu von dem berühmten Satz: »Ich nehme an, Sie sind Doktor Livingstone?«
    Sie glaubten erst an einen Übersetzungsfehler oder einen Schaden im Mechanismus des Wörterbuchs Französisch-Ameisisch. Keiner kam auf den Gedanken zu lachen oder sich einzubilden, daß sie es womöglich mit einer humorvollen Ameise zu tun hatten. Sie fragten sich vielmehr, wer dieser Doktor Livingstone sein sollte, den die Ameisen kannten.
    Senden: Nein, wir sind nicht »Doktor Livingstone«. Wir sind drei Menschen. Wir heißen Arthur, Laetitia und Jacques.
    Empfangen: Wie habt ihr Erdisch sprechen gelernt?
    Laetitia flüsterte: »Sie will wohl fragen, woher wir die Duftsprache der Ameisen können. Sie bilden sich wahrhaftig ein, daß sie die einzigen wichtigen Erdenbewohner sind …«
    Senden: Es ist ein Geheimnis, das uns zufällig in die Hände gefallen ist. Und wer bist du?
    Empfangen: Nr. 103 683, aber meine Gefährtinnen nennen mich lieber kurz Nr. 103. Ich bin eine Geschlechtslose aus der Kaste der Kundschafterinnen. Ich komme aus Bel-o-kan, der größten Stadt der Welt.
    Senden: Und wie kommt es, daß du uns diese Botschaft überbracht hast?
    Empfangen: Die Finger, die unter unserer Stadt leben, haben uns gebeten, euch dieses Päckchen zu überbringen. Sie nennen diese Aufgabe »Mission Merkur«. Weil ich die einzige war, die schon einmal in die Nähe der Finger gekommen war, haben meine Schwestern gedacht, ich sei auch die einzige, die diese Aufgabe erfüllen könne.
    Nr. 103 hütete sich davor zu erwähnen, daß sie auch die Anführerin eines Kreuzzugs zur Ausrottung aller Finger auf Erden war.
    Alle drei hatten der gesprächigen Ameise bestimmte Fragen zu stellen, doch Arthur Ramirez hielt weiter die Zügel der Unterhaltung in der Hand.
    Senden: In dem Brief, den du uns überbracht hast, ist von Menschen die Rede,

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