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Der Tag der Ameisen

Der Tag der Ameisen

Titel: Der Tag der Ameisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Werber
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Verzeihung, von Fingern, die unter deiner Stadt festsitzen. Du allein sollst uns zu ihnen bringen können, um sie zu retten.
    Empfangen: Das stimmt.
    Senden: Dann zeige uns den Weg, und wir folgen dir.
    Empfangen: Nein.
    Senden: Wieso denn nein?
    Empfangen: Erst muß ich euch besser kennenlernen. Wie soll ich sonst wissen, daß ich zu euch Vertrauen haben kann?
    Die drei Menschen waren so überrascht, daß sie nicht wußten, was sie sagen sollten.
    Zwar hatten sie zweifellos viel Sympathie, ja sogar Achtung für die Ameisen übrig, aber bis dahin, daß sie eines dieser Tierchen zu ihnen »nein« sagen hörten, war es noch ein weiter Schritt. Das kleine Klümpchen unter der Glasglocke hielt das Leben von siebzehn Menschen in seinen Krallen. Sie konnten die Ameise mit einem einfachen Daumendruck zerquetschen, und die traute sich, ihnen ihre Hilfe unter dem Vorwand zu verweigern, sie hätten sich ihr nicht richtig vorgestellt.
    Senden: Warum willst du uns kennenlernen?
    Empfangen: Ihr seid groß und stark, aber ich weiß nicht, ob ihr gute Absichten habt. Seid ihr Ungeheuer, wie unsere Königin Chli-pu-ni es glaubt? Allmächtige Götter, wie Nr. 23
    meint? Seid ihr gefährlich? Seid ihr viele? Seid ihr intelligent?
    Seid ihr Barbaren? Wie entwickelt ist eure Technik? Benutzt ihr Werkzeuge? Ich muß euch doch kennen, ehe ich entscheide, ob es sich lohnt, einige von euch zu retten.
    Senden: Willst du, daß jeder von uns dreien dir sein Leben erzählt?
    Empfangen: Ich will nicht euch drei verstehen und beurteilen, sondern eure ganze Art.
    Laetitia und Méliès blickten einander an. Wo sollten sie anfangen? Mußten sie dieser Ameise etwa die Kulturen der Antike, das Mittelalter, die Renaissance, die Weltkriege erläutern? Arthur hingegen schien die Diskussion Spaß zu machen.
    Senden: Dann stell uns Fragen. Wir antworten dir und erklären dir unsere Welt.
    Empfangen: Das ist zu leicht. Ihr werdet mir eure Welt im besten Licht darstellen, nur um die Finger zu retten, die Gefangene unserer Stadt sind. Sucht also einen Weg, um mich objektiver zu informieren.
    Wie stur diese Nr. 103 war! Selbst Arthur wußte nicht mehr, was er sagen sollte, um sie von ihrer Gutwilligkeit zu überzeugen. Méliès tobte. Zu Laetitia meinte er wütend:
    »Na schön. Dann retten wir deinen Cousin und seine Begleiter eben ohne die Hilfe dieser Ameisen. Arthur, haben Sie eine Karte des Waldes von Fontainebleau?«
    Ja, die habe er, doch sei der Wald von Fontainebleau siebzehntausend Hektar groß. Und an Ameisenhaufen mangele es auch nicht. Wo sollten sie suchen? Bei Barbizon, unter den Felsen von Apremont, in der Nähe des Franchard-Sumpfes, im Sand der Solle-Hügel?
    Mit dem Graben konnten sie Jahre zubringen. Mit ihren eigenen Mitteln würden sie Bel-o-kan nie finden.
    »Wir werden uns doch nicht von einer Ameise demütigen lassen!« rief Méliès genervt.
    Arthur Ramirez setzte sich für ihren Gast ein.
    »Sie will uns doch bloß besser verstehen, ehe sie uns zu ihrem Nest führt. Sie hat recht. An ihrer Stelle würde ich es genauso machen.«
    »Aber wie sollen wir ihr denn ein ›objektives‹ Bild von unserer Welt vermitteln?«
    Sie grübelten nach. Noch ein Rätsel! Schließlich rief Jacques Méliès: »Ich hab eine Idee!«
    »Und die wäre?« fragte Laetitia, die auf die ungestümen Initiativen des Kommissars immer mit Mißtrauen reagierte.
    »Das Fernsehen. Das Fernsehen! Mensch, übers Fernsehen sind wir an die ganze Menschheit angeschlossen, können wir den Puls der ganzen Art fühlen. Das Fernsehen stellt alle Aspekte unserer Zivilisation dar. Wenn unsere Nr. 103 fernsieht, kann sie selber mit Herz und Verstand entscheiden, wer wir sind und was wir wert sind.«

187. PHEROMON
    Ameisensage:
    Entschlüsseln erlaubt
    Gedächtnispheromon Nr. 123
    Thema: Sage
    Speichlerin: Königin Chli-pu-ni
     
    Dies ist die Sage von den beiden Bäumen. Zwei verfeindete Ameisenarten lebten jede in ihrem Baum. Die beiden Bäume waren Nachbarn. So geschah es, daß ein Ast anfing, zur Seite zu wachsen, um den anderen Baum zu erreichen, und sich ihm auf diese Weise tagtäglich ein Stück näherte. Die beiden Arten wußten, daß der Krieg ausbrechen würde, sobald der Ast den Abstand zwischen den beiden Bäumen überbrückt hätte. Doch keine von ihnen traf Vorkehrungen dagegen. Der Krieg brach genau an dem Tag aus, an dem der Ast den Nachbarbaum streifte. Die Schlachten waren erbarmungslos. Diese Geschichte zeigt, daß es einen genau bestimmten Moment gibt, zu dem

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