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Der Tag der Ameisen

Der Tag der Ameisen

Titel: Der Tag der Ameisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Werber
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seine Persönlichkeit zu zeigen. Sie bestehen aus geflochtenen Pflanzenfasern.
    Empfangen: Gehört das zum Liebeswerben wie bei den Schmetterlingen?
    Senden: Wenn man so will. Ganz sicher ziehen unsere Frauen, wenn sie auf eine bestimmte Weise gekleidet sind, manchmal stärker die Aufmerksamkeit der Männer auf sich. Nr. 103 fragt viel, lernt aber schnell. Manche ihrer Fragen sind schwieriger zufriedenstellend zu beantworten als andere.
    Zum Beispiel: »Warum bewegen sich die Augen der Finger?«
    Oder: »Warum sind die Individuen der gleichen Kaste nicht alle gleich groß?« Die drei Menschen versuchen, so gut sie können, Auskunft zu erteilen. Sie benutzen dabei einen vereinfachten, aber klaren Wortschatz. Sie sind fast gezwungen, das Französische neu zu erfinden, so reich an Nebenbedeutungen und Feinheiten sind mitunter die Wörter, die sie immer wieder neu definieren müssen, damit die Ameise sie versteht.
    Schließlich hat Nr. 103 diesen Aufmarsch von Menschenweibchen satt. Sie will etwas anderes sehen. Méliès zappt. Wenn ein Bild ihre Aufmerksamkeit fesselt, strömt sie ein »Halt!« aus.
    Empfangen: Halt! Was ist das?
    Senden: Ein Bericht über den Verkehr in den Großstädten.
    Stimme des Kommentators aus dem Off: »Die Staus stellen eines der größten Probleme unserer Metropolen dar. Eine einschlägige Untersuchung hat ergeben: Je mehr Autobahnen und Straßen man baut, um so mehr Autos werden gekauft und um so häufiger kommt es zu Staus.«
    Auf dem Bildschirm sind lange Reihen zwischen gräulichen Rauchwolken stehender Autos zu sehen. Kameraschwenk auf die kilometerlangen Schlangen von Wohnwagen, Lastwagen, Autos und Bussen.
    Empfangen: Ach ja, die Staus in den großen Metropolen, die sind überall eine Plage! Etwas anderes.
    Bilderfolge.
    Empfangen: Halt! Was ist denn das?
    Senden: Eine Dokumentarsendung über den Hunger auf der Welt.
    Ausgezehrte Körper, Kinder mit Mündern voller Fliegen, ausgemergelte Säuglinge, die an den schlaffen und leeren Brüsten ihrer hageren Mütter hängen, alterslose Menschen mit starrem Blick …
    Die gleichgültige Stimme des Kommentators: »Die Trockenheit in Äthiopien richtet weitere Verheerungen an.
    Schon seit fünf Monaten herrscht Hunger, und jetzt ist eine Invasion von Wanderheuschrecken angekündigt. An Ort und Stelle versuchen Ärzte der internationalen Gemeinschaftshilfe mit dürftigen Mitteln der einheimischen Bevölkerung zu helfen.«
    Empfangen: Was sind denn Ärzte?
    Senden: Finger, die anderen Fingern helfen, wenn sie krank oder in Not sind, auch wenn sie nicht aus ihrem Revier stammen oder die gleiche Hautfarbe haben. Nicht alle Finger sind rosa, es gibt auch gelbe und schwarze auf der Welt.
    Empfangen: Auch bei unserer Art können die Farben verschieden sein. Das genügt manchmal schon, damit Feindschaft ausbricht.
    Senden: Bei uns auch.
    Kanal 1227, 1226, 1225. Halt.
    Empfangen: Was ist das?
    Méliès erkennt das Bild sofort: »Wir sind auf dem verschlüsselten Kanal. Das ist ein … Pornofilm.«
    Kein Entrinnen. Ramirez erklärt es, so gut er kann. Nr. 103 will die Wahrheit wissen.
    Empfangen: Was ist das?
    Senden: Das sind Filme, bei denen man sieht, wie die Finger sich fortpflanzen …
    Die Ameise betrachtet die Bilder mit großem Interesse.
    Kommentar von Nr. 103.
    Empfangen: Macht ihr es mit dem Kopf?
    Senden: Ah, nein, eigentlich nicht, antwortet Laetitia ziemlich verlegen. Das Paar auf dem Bildschirm wechselt die Stellung und umarmt sich.
    Kommentar von Nr. 103:
    Empfangen: Eigentlich liebt ihr euch wie die Schnecken, indem ihr euch auf dem Boden herumwälzt. Das kann nicht besonders angenehm sein. Das muß doch überall reiben.
    Genervt zappt Laetitia Wells weiter.
    Kanal 1124. Ein Gewimmel von kleinen schwarzen Punkten.
    Empfangen: Halt. Was ist das?
    Kein Entrinnen. Eine Tiersendung über die Insekten.
    Senden: Ein … ein Bericht über die »Ameisen«.
    Empfangen: Was ist denn das, Ameisen?
    Sie zögern, die nicht gerade löblichen Bilder über die Ameisenart zu kommentieren, die hier nicht mehr als eine wimmelnde Masse ist.
    Empfangen: Was ist das, Ameisen?
    Senden: Ähm, das ist zu schwierig zu erklären.
    Ramirez zögert. Dann gibt er zu:
    Senden: Die Ameisen … das seid ihr.
    Empfangen: Das sind wir?
    Nr. 103 reckt den Hals. Selbst bei Großaufnahmen schafft sie es nicht, ihre Schwestern zu erkennen, denn ihr Gesichtsfeld ist rund, während das der Menschen flach ist.
    In etwa erkennt sie das Bild von einem

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