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Der Tag der Ameisen

Der Tag der Ameisen

Titel: Der Tag der Ameisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Werber
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Glaskäfig. Sie hatten kein radioaktives Material zum Kennzeichnen da. Daher träufelte Laetitia ein Tröpfchen von ihrem roten Nagellack auf die Stirn des Insekts, um es mit Sicherheit wieder aus allen anderen Ameisen herauszufinden.
    »Na los, meine Kleine, zeig uns den Weg!«
    Entgegen jeder Erwartung rührte die Ameise sich nicht.
    »Glaubst du, sie ist tot?«
    »Nein, ihre Antennen bewegen sich.«
    »Warum läuft sie dann nicht los?«
    Jacques Méliès stieß sie mit einem Finger an.
    Keine Reaktion. Nur immer nervösere Antennenbewegungen.
    »Man könnte meinen, sie hat keine Lust, uns hinzuführen«, sagte Laetitia Wells. »Ich sehe nur eine Möglichkeit, damit fertig zu werden. Wir müssen … mit ihr sprechen.«
    »Einverstanden. Das ist eine tolle Gelegenheit zu sehen, wie der ›Stein der Weisen‹ von diesem Arthur Ramirez funktioniert.«

185. LAND ZU BESTELLEN
    Nr. 24 weiß nicht, von welcher Seite sie das Problem anpacken soll. Eine utopische Gemeinschaft aus mehreren Arten zu schaffen ist ja ganz schön. Es mit Hilfe einer Pflanze und geschützt vom Wasser zu tun ist sogar noch schöner. Aber wie soll man es anstellen, daß alle einander verstehen?
    Die Gottgläubigen verbringen die meiste Zeit damit, ihre Monolithstatuen zu errichten, und verlangen eine Ecke, wo sie ihre Toten begraben können.
    Die Termiten haben ein dickes Stück morsches Holz gefunden und bleiben darin eingenistet.
    Die Bienen bauen sich in den Ästen der Flötenakazie einen Ministock.
    Und die Ameisen richten einen Saal als Pilzgarten her.
    Alles geht seinen normalen Gang. Warum sollte Nr. 24 sich solche Mühe geben, alles zu ordnen? Jeder tut in seiner Ecke, was ihm paßt, solange das die anderen nicht stört.
    Am Abend versammeln sich die Mitglieder der Gemeinschaft in einer Kammer der Akazie und erzählen einander Geschichten aus ihrer Welt.
    Dieser gemeinnützige Augenblick, in dem alle Insekten sämtlicher Arten ihre Fühler ausstrecken, um Dufterzählungen von Bienenkriegerinnen oder Termitenarchitektinnen zu hören, ist das wichtigste Bindeglied der Gemeinschaft.
    Die Gemeinschaft von Cornigera wird durch eine Vielzahl von Sagen und Märchen zusammengehalten. Duftlegenden.
    Ganz einfach.
    Die Religion der Gottgläubigen ist bloß eine Geschichte unter anderen. Und niemand würde sich erlauben, sie gut oder schlecht zu heißen. Es kommt nur auf eines an: daß sie einen zum Träumen bringt. Und die Vorstellung von Gott bringt einen zum Träumen.
    Nr. 24 schlägt vor, die schönsten Sagen der Ameisen, Bienen, Termiten und Käfer wie in der Chemischen Bibliothek in Behältern zu sammeln.
    Die meerblaue Nacht erscheint in einem Bullauge der Akazie. Sie wird von einem weißen Vollmond erhellt.
    Heute abend ist es ziemlich warm, so daß die Insekten beschließen, einander ihre Geschichten am Strand zu erzählen.
    Eines von ihnen erzählt: … der Termitenkönig wanderte schon seit zwei Zyklen in der Gebärkammer seiner Königin herum, als plötzlich die Mannschaft der Baumaushöhlerinnen meldete, daß ein Totenuhrkäfer die erotischen Schwingungen der Herrscherin störe …
    Ein anderes meint: … Da taucht plötzlich eine schwarze Wespe auf. Mit nach vorn gerichtetem Stachel rast sie auf mich zu. Mir bleibt kaum Zeit …
    Alle teilen zitternd die Angst, welche die Biene aus Askolein in ihrer Erinnerung wieder erlebt.
    Der Duft der Narzissen um sie herum und das friedliche Plätschern des Wassers, das das Ufer liebkost, beruhigen sie.
     

186. DAS JÜNGSTE GERICHT
     
    Arthur Ramirez empfing sie sehr herzlich. Es ging ihm besser.
    Er dankte ihnen, daß sie ihn nicht bei der Polizei angezeigt hatten. Madame Ramirez war nicht da. Sie hatte ihren Auftritt bei »Denkfalle«.
    Die Journalistin und der Polizist erklärten ihm, daß sich etwas Neues ereignet habe: So unglaublich es klinge, aber eine Ameise habe ihnen eine handschriftliche Botschaft überbracht.
    Sie zeigten ihm den Brief. Arthur Ramirez erkannte das Problem sofort. Er zupfte sich an seinen Barthaaren. Dann erklärte er sich bereit, seinen »Stein der Weisen« in Gang zu setzen.
    Er führte sie auf den Speicher, schaltete mehrere Computer ein, beleuchtete Duftfläschchen, die Pheromone erzeugten, schüttelte durchsichtige Schläuche, um Ablagerungen auszuschließen. Unendlich vorsichtig beförderte Laetitia Nr. 103 aus ihrem Röhrchen. Arthur setzte sie unter eine Glasglocke.
    Von dieser Glocke gingen zwei Schläuche ab: Einer saugte die Duftpheromone der Ameise ab, der

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