Der Tag der Ameisen
Antibiotika versorgt, die zu ihrem vollkommenen Wachstum notwendig sind.
20. OG: Hier befinden sich die Vorräte an Trockenfleisch, Obst und Pilzmehl. Um dem Verrotten vorzubeugen, ist alles sorgfältig mit Ameisensäure überzogen.
18. OG: Fässer aus fetten Blättern umschließen dampfende Säuren für militärische Experimente. Mit den Enden ihrer langen Kiefer testen Chemikerinnen den Wirkungsgrad jeder Säure. Einige werden aus Obst gewonnen, so zum Beispiel die Apfelsäure aus Äpfeln. Andere haben einen weniger alltäglichen Ursprung: Die Oxalsäure wird aus Sauerampfer hergestellt, die Schwefelsäure aus gelben Steinen. Zur Jagd ist die neue 60prozentig konzentrierte Ameisensäure ideal. Sie brennt ein wenig in den Eingeweiden, richtet jedoch unvergleichliche Verwüstungen an. Nr. 103 683 hat sie bereits ausprobiert.
15. OG: Der Exerziersaal ist höher gelegt worden. Hier üben sich die Kriegerinnen im Nahkampf. Die neuen Finten werden peinlich genau auf Gedächtnispheromonen gespeichert, die für die Chemische Bibliothek bestimmt sind. Die aktuelle Entwicklung geht nicht mehr dahin, dem Gegner an den Kopf zu springen, sondern vielmehr darin, ihm ein Bein nach dem anderen abzutrennen, bis er sich nicht mehr bewegen kann. Ein Stück weiter üben sich Artilleristinnen darin, auf zehn Schritt Entfernung aufgestellte Körper mit einem präzisen Strahl zu zermalmen.
9. UG: Hier befinden sich die Läuseställe. Die Königin Chli-53
pu-ni hat Wert darauf gelegt, daß sich alle Ställe innerhalb der Stadt befinden, um nicht wieder Gefahr zu laufen, daß die Herden von wilden Marienkäfern angegriffen werden.
Arbeiterinnen sind damit beschäftigt, die Läuse mit Stech-palmenstückchen zu traktieren, damit sie rascher ihren Saft abgeben.
Die Fortpflanzungsrate der Läuse ist gestiegen. Sie liegt jetzt bei zehn Stück pro Sekunde. Nr. 103 683 hat das Glück, im Vorübergehen einem seltenen Phänomen beizuwohnen. Eine Laus kommt mit einem Läuschen nieder, das selbst beim Gebären ist und ein noch kleineres Läuschen zur Welt bringt.
So wird man in einer Sekunde Mutter und Großmutter!
14. UG: Die Pilzfelder erstrecken sich, so weit das Auge reicht; sie werden von Kompostbecken gespeist, wo jeder seine Exkremente ablagert. Bäuerinnen schneiden die überstehenden Rhizome ab, andere bringen das Ameisengift aus, das sie vor Parasiten schützt.
Plötzlich springt vor Nr. 103 683 ein grünes Tier auf, das seinerseits von einem anderen grünen Tier verfolgt wird. Sie scheinen miteinander zu kämpfen. Sie fragt in der Runde, was das für merkwürdige Insekten sind. Stinkende Höhlenwanzen, erläutert man ihr. Die sind die ganze Zeit beim Begatten. Auf alle denkbaren Weisen, egal wo und egal mit wem. Das ist sicher das mit der ungewöhnlichsten Sexualität begabte Wesen des Planeten. Chli-pu-ni studiert sie mit Vorliebe.
Zu allen Zeiten und in allen Ameisenhaufen hat es zahlreiche Mitbewohner gegeben. Über zweitausend Arten von Insekten, Tausendfüßlern, Spinnen, die ständig in einem Ameisenhaufen leben und von den Ameisen voll und ganz geduldet werden, sind gezählt worden. Manche nutzen dies, um dort ihre Verwandlung zu vollziehen, andere reinigen die Räume, indem sie die Abfälle auffressen.
Doch Bel-o-kan ist die erste Stadt, wo sie »wissenschaftlich« studiert werden. Die Königin Chli-pu-ni behauptet, daß jedes beliebige Insekt abgerichtet und in eine furchterregende Waffe umgewandelt werden kann. Ihrer Meinung nach hat jedes Individuum seine eigene Verwendungsweise, die sich im Gespräch offenbart. Man brauche nur aufmerksam zu sein.
Im Augenblick ist Chli-pu-ni damit recht erfolgreich. Es ist ihr gelungen, mehrere Käferarten »zu zähmen«, indem sie sie gefüttert, ihnen einen Unterschlupf gebaut, sie von ihren Krankheiten geheilt hat, wie man es früher schon mit den Läusen tat. Der eindrucksvollste Erfolg der Königin besteht darin, daß sie es geschafft hat, Nashornkäfer zu bändigen.
20. UG: Südsüdwestliches Viertel links hinter den Gärten mit den schwarzen Pilzen. Die Auskunft war richtig. Die Käfer befinden sich am Ende des Gangs.
14. ENZYKLOPÄDIE
ANGST: Um zu erklären, daß Ameisen keine Angst kennen, muß man sich vor Augen halten, daß der ganze Ameisenhaufen wie ein einziger Organismus ist. Dort spielt jede Ameise die gleiche Rolle wie eine Zelle im menschlichen Körper.
Fürchten sich die Ränder unserer Nägel davor, abgeschnitten zu werden? Zittern die Haare an
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