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Der Tag der Ameisen

Der Tag der Ameisen

Titel: Der Tag der Ameisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Werber
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Die völlige, einhellige Ablehnung. Die Freude der ersten Tage lag lange zurück. Das Feuer war zu gefährlich. Alle in Gemeinschaft lebenden Insekten einigten sich darauf, es mit dem Bann zu belegen und für tabu zu erklären.
    Niemand durfte sich mehr dem Feuer nähern. Wenn in einem Baum der Blitz einschlug, hatten alle den Befehl, sich zu entfernen. Wenn trockene Späne Funken fingen, war jedermann verpflichtet, sie auszulöschen. Die Anweisungen überquerten die Ozeane. Bald wußten alle Ameisen des Planeten, alle Insekten, daß sie vor dem Feuer fliehen mußten und vor allem nicht versuchen durften, es sich Untertan zu machen.
    Es blieben nur noch ein paar Fliegen und Schmetterlings-arten, die sich weiterhin in die Flammen stürzten. Aber die waren eben lichtsüchtig.
    Die anderen hielten sich streng an die Vorschriften. Wenn ein Nest oder ein einzelnes Tier sich anschickte, im Krieg Feuer einzusetzen, verbündeten sich alle anderen, ob groß, ob klein, sofort, um es zu vernichten.
    Chli-pu-ni gab das Gedächtnispheromon wieder zurück.
    Die Finger haben die verbotene Waffe benutzt und benutzen sie noch immer, bei allem, was sie tun. Die Zivilisation der Finger ist eine solche des Feuers. Wir müssen sie daher zerstören, ehe sie den ganzen Wald in Brand stecken.
    Die Königin sendet einen Geruch wilder Entschlossenheit.
    Nr. 103 683 ist perplex. Chli-pu-ni zufolge stellen die Finger ein Epiphänomen dar. Zeitweilige Mieter der Erdoberfläche.
    Und ganz bestimmt vorübergehende Mieter. Sie sind erst seit drei Millionen Jahren da und werden wohl nicht mehr lange bleiben.
    Nr. 103 683 wäscht sich die Antennen.
    Für gewöhnlich lassen die Ameisen die Arten auf der Erdkruste aufeinander folgen, leben und sterben, ohne sich darum zu kümmern. Warum also dieser Kreuzzug?
    Chli-pu-ni besteht darauf:
    Sie sind zu gefährlich. Wir können nicht warten, bis sie von selbst untergehen.
    Nr. 103 683 meint:
    Es scheint, als ob einige Finger unter der Stadt leben.
    Wenn Chli-pu-ni die Finger bekämpfen wolle, warum fange sie dann nicht mit denen an?
    Die Königin zeigt sich zunächst erstaunt darüber, daß die Soldatin über das Geheimnis Bescheid weiß. Dann erklärt sie, die Finger dort unten seien keine Bedrohung. Sie wüßten nicht, wie sie aus ihrem Loch herauskommen sollten. Sie seien eingesperrt. Es genüge, sie verhungern zu lassen, und das Problem löse sich von selbst. Sie seien vielleicht bereits tot.
    Das wäre schade.
    Die Königin hebt ihre Antennen.
    Warum? Magst du die Finger? Hat deine Reise ans Ende der Welt es dir ermöglicht, mit ihnen zu sprechen?
    Die Soldatin stellt sich.
    Nein. Aber es wäre für die Zoologie schade, denn wir wissen nichts über die Sitten und die Beschaffenheit dieser Riesentiere. Und es wäre schade um den Kreuzzug, denn wir würden ans Ende der Welt ziehen, ohne unsere Feinde so recht zu kennen.
    Die Königin wird nachdenklich. Die Soldatin erkennt ihre Chance.
    Doch was für ein Glücksfall! Wir verfügen zu Hause über ein Nest voller Finger. Warum sollen wir uns das nicht zunutze machen?
    Daran habe Chli-pu-ni nicht gedacht. Nr. 103 683 habe recht.
    Es sei wahr, diese Finger seien Gefangene, alles in allem genauso wie die Milben, die sie im Zoologiesaal studiere. Die Nußschale, in welche die Milben gezwängt sind, bieten ihr ein unendlich kleines Vivarium. Die Höhle der Finger böte ihr ein unendlich großes …
    Einen Augenblick lang ist die Königin versucht, auf die Soldatin zu hören, ihr »Fingerium« besonnen weiter zu erhalten, die letzten Finger zu retten, soweit noch welche leben, und vielleicht sogar den Dialog mit ihnen wiederaufzunehmen.
    Um der Wissenschaft willen.
    Man könnte sie eigentlich domestizieren und sie in riesige Reittiere verwandeln! Wenn man ihnen Nahrung gibt, werden sie sich sicherlich unterwerfen. Doch plötzlich passiert etwas Unvorhergesehenes.
    Aus dem Nichts wirft sich eine Kamikazeameise auf Chli-pu-ni und versucht sie zu enthaupten. Nr. 103 683 erkennt in der Königinmörderin eine Rebellin aus dem Käferstall. Sie macht einen Satz und erschlägt die Rebellin durch einen Hieb ihrer Kiefersäbel, ehe diese ihre dreiste Tat verüben kann.
    Die Königin ist reglos geblieben.
    Sieh nur, wozu die Finger fähig sind! Sie haben die Ameisen mit dem Felsengeruch in Fanatikerinnen verwandelt, die bereit sind, ihre eigene Herrscherin zu ermorden. Nr. 103 683, du siehst, daß man mit ihnen nicht reden darf. Die Finger sind keine Tiere wie alle

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