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Der Tag der Ameisen

Der Tag der Ameisen

Titel: Der Tag der Ameisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Werber
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Bel-o-kan beweise es.
    Feuer! … Nr. 103 683 wird von Ekel erfaßt. Jetzt versteht sie Chli-pu-nis Besessenheit besser. Alle Ameisen wissen, was Feuer heißt. Einst hatten auch sie dieses Element entdeckt. Wie die Menschen: durch Zufall. Der Blitz hatte in einem Bäumchen eingeschlagen. Ein brennender Zweig war ins Gras gefallen. Eine Ameise war näher herangegangen, um das Stückchen Sonne, das alles um sich herum verkohlte, besser sehen zu können.
    Alles, was ungewöhnlich ist, versuchen die Ameisen in ihr Nest zu schleppen. Diesmal schlug der erste Versuch fehl. Die folgenden ebenfalls. Stets erlosch die Flamme auf dem Weg dorthin. Doch schließlich gelang es einer klugen Späherin, die es mit immer längeren Zweigen versuchte, einen bis an den Rand des Ameisenhügels zu bringen. Sie hatte bewiesen, daß es möglich war, Sonnenstückchen zu transportieren. Ihre Schwestern feierten sie.
    Was für ein Wunder das Feuer war! Es brachte Energie, Licht, Wärme. Und was für schöne Farben! Rot, Gelb, Weiß und sogar Blau.
    Das war erst vor kurzem gewesen, vor kaum fünfzig Millionen Jahren. Bei den in Gemeinschaft lebenden Insekten erinnert man sich noch daran.
    Das Problem: Die Flamme verlosch nach einer Weile. Man mußte also darauf warten, daß wieder der Blitz einschlug, und leider war er oft von Regen begleitet, der das Feuer auslöschte.
    Um ihren brennenden Schatz besser zu hüten, hatte eine Ameise den Einfall gehabt, ihn in ihre Stadt aus trockenen Zweigen zu bringen. Ein fataler Einfall! Das Feuer hielt zwar länger vor, entzündete aber sofort die Kuppel aus Zweigen und führte so zum Tod Tausender von Eiern, Arbeiterinnen und Soldatinnen.
    Diesmal feierte man die Erfinderin nicht. Doch in Wahrheit stand die Suche nach dem Feuer erst am Anfang. So sind die Ameisen. Sie fangen immer mit den schlechtesten Lösungen an, ehe sie durch verschiedene Anpassungen nach und nach die beste entdecken.
    Die Ameisen dachten lange über das Problem nach.
    Chli-pu-ni nimmt das Gedächtnispheromon auf, das die entsprechenden Forschungen enthält.
    Man hatte zunächst wahrgenommen, daß das Feuer sehr ansteckend war. Es genügte, sich ihm zu nähern, um selber in Flammen aufzugehen. Paradoxerweise war es zugleich sehr empfindlich. Das schlichte Schlagen eines Schmetterlings-flügels, und es war nur noch schwarzer Rauch davon übrig, der sich in der Luft auflöste. Wenn die Ameisen ein Feuer auslöschen wollten, war es für sie immer noch am leichtesten, wenig konzentrierte Ameisensäurestrahlen darauf zu schießen.
    Die vorauseilenden Bastlerinnen, die eine zu starke Säure in die Glut spritzten, fingen Feuer wie Schweißbrenner und verwandelten sich in lebende Fackeln.
    Später dann, vor siebenhundertfünfzigtausend Jahren, entdeckten die Ameisen, indem sie alles und jedes ausprobierten (das ist ihre Form der Wissenschaft) wiederum zufällig, daß man Feuer erzeugen konnte, ohne auf einen Blitz zu warten. Als eine Arbeiterin zwei sehr trockene Blätter aneinander rieb, entdeckte sie, daß von ihnen zunächst Rauch aufstieg und sie sich dann entzündeten. Das Experiment wurde wiederholt und untersucht. Von da an konnten sie ein Feuer nach Belieben entfachen. Auf die schöne Entdeckung folgte eine Phase der Euphorie.
    Jedes Nest entdeckte fast täglich neue Anwendungen dafür.
    Das Feuer zerstörte die zu hinderlichen Bäume, zerkleinerte die härtesten Materialien, belebte die Energien am Ende des Winterschlafs, heilte bestimmte Krankheiten und verschönerte ganz allgemein die Farbe der Dinge.
    Die Begeisterung begann zu sinken, als unvermeidlich der militärische Einsatz des Feuers begann. Vier Ameisen, die mit einem langen, brennenden Zweig bewaffnet waren, konnten fortan eine gegnerische Stadt von einer Million Individuen in weniger als einer halben Stunde vernichten.
    Es gab auch Waldbrände. Die Ameisen beherrschten die ansteckende Wirkung des Feuers schlecht. Sobald etwas zu glimmen begann, genügte ein Windhauch, um ein Feuer anzufachen, das mit dem schwach konzentrierten Säurestrahl der Brandschutz-Ameisen nicht mehr einzudämmen war.
    Fing ein Busch Feuer, dauerte es nicht lange, bis er es von Baum zu Baum weitergab, und dann waren es rasch nicht mehr dreihunderttausend einzelne Tiere, sondern dreißigtausend Ameisenhügel, die binnen eines Tages in Asche gelegt wurden.
    Wie eine Seuche dezimierte das Feuer alles: die dicksten Bäume, die größten Tiere und sogar die Vögel. Dem Über-schwang folgte die Ablehnung.

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