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Der Tag der Ameisen

Der Tag der Ameisen

Titel: Der Tag der Ameisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Werber
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schaute durch den Spion und erkannte Kommissar Méliès.
    »Was fällt Ihnen ein, zu dieser Zeit zu kommen?«
    »Ich habe einen Durchsuchungsbefehl.«
    Sie erklärte sich bereit, aufzumachen.
    Er wirkte entspannt.
    »Ich war beim LAC, und dort hat man mir gesagt, daß Sie die Phiolen mit den chemischen Produkten mitgehen ließen, an denen die Brüder Salta und Caroline Nogard gearbeitet hatten.«
    Sie holte die Phiolen und reichte sie ihm. Nachdenklich betrachtete er sie.
    »Mademoiselle Wells, darf ich fragen, was da drin ist?«
    »Ich brauche Ihnen die Arbeit nicht vorzukauen. Das chemische Gutachten wurde von meiner Zeitung bezahlt. Die Ergebnisse gehören nur ihr und sonst niemandem.«
    Er stand noch immer in seinem zerknautschten Anzug auf der Türschwelle, beinahe eingeschüchtert von dieser so schönen Frau, die ihn herausforderte.
    »Mademoiselle Wells, darf ich bitte hereinkommen? Können wir uns einen Moment unterhalten? Ich werde Sie nicht lange stören.« Er mußte durch einen heftigen Regenschauer gelaufen sein.
    Er war ganz durchnäßt. Auf dem Fußabstreifer bildete sich bereits eine kleine Pfütze. Sie seufzte.
    »Na gut, aber ich habe nicht viel Zeit für Sie.«
    Er wischte seine Schuhe umständlich ab, ehe er ins Wohnzimmer kam.
    »Scheußliches Wetter.«
    »Nach den Hundstagen die Wolkenbrüche.«
    »Die Jahreszeiten stehen alle kopf, von der Hitze und der Trockenheit geht’s gleich zur Kälte und Nässe.«
    »Also, kommen Sie herein, setzen Sie sich. Möchten Sie etwas trinken?«
    »Was haben Sie anzubieten?«
    »Ambrosia.«
    »Was ist denn das?«
    »Wasser, Honig und Hefe, das Ganze verrührt und dann vergoren. Das war das Getränk der olympischen Götter und der keltischen Druiden.«
    »Die olympischen Götter lasse ich mir eingehen.«
    Sie schenkte ihm ein Glas ein und verschwand dann.
    »Warten Sie kurz, ich muß mir erst die Haare trocknen.«
    Sobald Méliès aus dem Bad das Fauchen des Föns hörte, sprang er auf, entschlossen, diese Pause zu nutzen, um die Wohnung zu inspizieren.
    Es war eine Wohnung von großer Klasse. Alles war geschmackvoll eingerichtet. Jadestatuen, die verschlungene Paare darstellten. Halogenlampen strahlten biologische Bildtafeln an, die an den Wänden hingen. Er ging näher und betrachtete eine. Etwa fünfzig Ameisenarten aus der ganzen Welt waren dort aufgelistet und präzise gezeichnet.
    Der Fön dröhnte weiter.
    Es gab schwarze Ameisen mit weißen Haaren, die Motorradpolizisten ähnelten (Rhopalothrix orbis), Ameisen, deren gesamter Brustpanzer mit Hörnern gespickt war (Acromyrmex versicolor), andere mit einem Rüssel, an dessen Ende sich eine Zange befand (Orectognathus antennatus) oder mit langen Haarsträhnen, die sie wie Hippies aussehen ließen (Tingimyrmex mirabilis). Daß Ameisen so verschiedene Gestalt haben konnten, erstaunte den Kommissar.
    Aber er war nicht zur Insektenkunde hier. Er sah eine schwarzlackierte Tür und wollte sie öffnen. Sie war verschlossen. Er zog eine Haarnadel aus seiner Tasche und machte sich am Schloß zu schaffen, als der Lärm des Föns plötzlich aufhörte. Rasch setzte er sich wieder hin.
    Die Louise-Brooks-Frisur saß jetzt, und Laetitia Wells hatte ein langes schwarzes Seidenkleid angezogen, das an der Taille gerafft war. Méliès versuchte, sich nicht beeindrucken zu lassen.
    »Sie interessieren sich für Ameisen?« fragte er weltläufig.
    »Nicht übermäßig«, sagte sie. »Aber mein Vater. Der war ein großer Ameisenkenner. Er hat mir die Tafeln zu meinem zwanzigsten Geburtstag geschenkt.«
    »Professor Edmond Wells war Ihr Vater?«
    Sie staunte: »Sie kennen ihn?«
    »Ich habe von ihm gehört. Bei uns, bei der Polizei, kennen wir ihn vor allem als Besitzer dieses verfluchten Kellers in der Rue des Sybarites. Erinnern Sie sich an den Fall, bei dem um die zwanzig Personen in einem endlosen Keller verschwunden sind?«
    »Natürlich! Diese Personen waren unter anderen mein Cousin, meine Cousine, mein Neffe und meine Großmutter.«
    »Komische Geschichte, was?«
    »Wie kommt es, daß Sie keine Nachforschungen über das Verschwinden angestellt haben, wo Sie doch Rätsel so lieben?«
    »Ich war zu dieser Zeit an einer anderen Sache dran. Um den Keller hat sich Kommissar Bilsheim gekümmert. Das hat ihm im übrigen kein Glück gebracht. Wie die anderen auch ist er nie wieder raufgekommen. Aber Sie lieben ja die Rätsel ebenfalls, glaube ich …«
    Sie lächelte hinterhältig.
    »Ich liebe es vor allem, sie aufzuklären«,

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