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Der Tag der Ameisen

Der Tag der Ameisen

Titel: Der Tag der Ameisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Werber
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erreicht Nr. 103 683 die Nashornkäferställe. Die armen Tiere flattern dahin und dorthin, um dem Ertrinken zu entkommen. Aber die Decke ist so niedrig, daß sie sich in ihrer Panik bald dagegen stoßen.
    Und wie überall sorgen auch hier emsige Arbeiterinnen, der Gefahr nicht achtend, dafür, einige der Kleinen zu retten und runde Fladen voller Eier ins Trockene zu schieben. Dennoch wissen sie, daß die Verluste unvermeidlich und riesengroß sein werden.
    Nasse Beine zu haben versetzt die Käfer in Schrecken und bringt sie dazu, mit dem Horn in die Decke zu stoßen. Nr. 103 683 verdankt es allein ihrer Wachsamkeit als Kriegerin, daß sie heil zwischen den heftigen Schlägen durchkommt.
    Endlich erreicht sie den Eingang zum Versteck der Rebellinnen. Gottgläubige und Ungläubige, alle sind sie da.
    Doch während letztere nervös herumlaufen, bleiben erstere merkwürdig ruhig. Die Katastrophe kommt für sie nicht überraschend.
    Wir haben den Göttern nicht genügend Nahrung geliefert, darum ersäufen sie uns.
    Nr. 103 683 unterbricht ihre Suada. Bald gebe es keine Sicherheitsausgänge mehr. Wenn sie die Rebellinnenbewegung retten wollten, sollten sie unverzüglich Leine ziehen.
    Schließlich hören sie auf sie und folgen ihr auf den Fersen.
    Als sie das Versteck räumen, streckt ihr die Ameise Nr. 24 den Schmetterlingskokon entgegen, den sie bei ihrem letzten Besuch dort gelassen hatte.
    Für die Mission Merkur. Das darfst du nicht vergessen.
    Anstatt noch lange zu diskutieren, lädt Nr. 103 683 sich den Kokon auf und zieht die Rebellinnen hinter sich her. Doch jetzt ist eine Durchquerung des Stalls unmöglich. Der ganze Raum ist überflutet. Auf dem Wasser treiben Nashornkäfer und auch Ameisen.
    Es muß sofort ein neuer Tunnel gegraben werden. Nr. 103 683 gibt Befehle.
    Sie müssen schnell machen, denn der Wasserspiegel in der Kammer steigt allmählich.
    Alle hier gelagerten Nahrungsmittel treiben weg.
    Das Wasser steigt immer schneller.
    Die Gottgläubigen denken indes gar nicht daran, sich zu beklagen. Die meisten ergeben sich in den gerechten Zorn der Götter.
    Sie sind davon überzeugt, daß der zerstörerische Regen sie nur trifft, um Chli-pu-nis Kreuzzug zu verhindern.

53. SAURE ERINNERUNGEN
    »Entschuldigen Sie, Mademoiselle!«
    Sie war gemeint.
    Als Laetitia Wells die Augen wieder aufschlug, war sie noch nicht an der Endstation angekommen. Eine Frau hatte sie angesprochen.
    »Entschuldigen Sie, Mademoiselle. Ich glaube, ich habe Sie mit meinen Nadeln gestoßen.«
    »Das macht nichts«, seufzte Laetitia.
    Die Frau strickte etwas aus bonbonrosa Wolle. Sie beanspruchte ein extra Stück Platz, um ihr Strickwerk ausbreiten zu können.
    Laetitia Wells betrachtete die Fadenspinne, die ihre Finger bewegte. Die Nadeln vervielfältigten die fließenden Maschen mit eindringlichem Klappern.
    Ihr rosarotes Werk sah aus wie Babywäsche. Welches arme Kind will sie nur in diese wattierte Zwangsjacke sperren?
    dachte Laetitia Wells. Als hätte die Frau die Frage gehört, bleckte sie ein herrliches Emailgebiß.
    »Das ist für meinen Sohn«, verkündete sie stolz.
    Im selben Moment blieb Laetitias Blick an einem Plakat hängen: »Unser Land braucht Kinder. Kampf der sinkenden Geburtenrate.«
    Laetitia Wells wurde ein bißchen böse. Kinder machen! Sie sagte sich, daß dies der wesentliche Auftrag der Art sei: sich fortpflanzen, sich vermehren, sich massenweise ausbreiten. Sie haben keine interessante Gegenwart gehabt? Leben Sie durch Ihre Brut weiter. Denken Sie zunächst an die Quantität, die Qualität kommt dann vielleicht nach.
    Nicht jede Gebärerin war sich dessen bewußt, aber sie gehorchte der ewigen Propaganda, die sich durch jegliche Politik jeglicher Nation zieht: die Macht der Menschen auf Erden zu vermehren.
    Laetitia Wells hatte Lust, diese Mama an den Schultern zu packen und ihr geradewegs ins Gesicht zu sagen: »Nein, machen Sie keine Kinder, halten Sie sich zurück, ein wenig Scham, verflucht! Nehmen Sie Verhütungsmittel, bieten Sie denen, die Sie lieben, Kondome an, bringen Sie Ihre fruchtbaren Freundinnen zur Vernunft, wie Sie gern zur Vernunft gebracht worden wären. Auf ein geglücktes Kind kommen hundert verpfuschte. Das lohnt die Mühe nicht. Die Verpfuschten reißen dann die Macht an sich, und das Ergebnis sieht man. Wenn Ihre Mutter etwas genauer überlegt hätte, hätte Sie Ihnen dieses ganze Leid erspart. Rächen Sie sich an Ihren Kindern nicht durch die schlimmste Schweinerei, die Ihre Eltern

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