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Der Tag der Ameisen

Der Tag der Ameisen

Titel: Der Tag der Ameisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Werber
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geben, Madame Ramirez?« fragte der Moderator wieder ganz aufgeräumt.
    »Ich bitte darum«, erwiderte die Kandidatin.
    »Ich glaube, Madame Ramirez, daß Sie nicht einfach genug sind, nicht dumm genug, in einem Wort: nicht leer genug. Ihre Intelligenz stellt Ihnen ein Bein. Legen Sie in Ihren Zellen den Rückwärtsgang ein, finden Sie das kleine, naive Mädchen wieder, das noch in Ihnen steckt. Und Ihnen, liebe Fernsehzuschauerinnen und -zuschauer sage ich: Bis morgen, wenn Sie Lust haben!«
    Laetitia Wells schaltete das Gerät aus.
    »Diese Sendung wird immer lustiger«, sagte sie.
    »Haben Sie die Lösung des Rätsels entdeckt?«
    »Nein, und Sie?«
    »Auch nicht. Wir müssen wohl zu intelligent sein, wenn Sie meine Meinung hören wollen. Dieser Moderator hat bestimmt recht.«
    Für Méliès war es an der Zeit zu gehen. Er steckte die Phiolen in die Tasche.
    An der Tür fragte er noch: »Warum helfen wir einander nicht, anstatt uns jeder allein abzumühen?«
    »Weil ich es gewohnt bin, allein vorzugehen, und weil Polizei und Presse nie gut zusammenpassen.«
    »Keine Ausnahme?«
    Sie schüttelte ihr kurzes, ebenholzfarbenes Haar.
    »Keine Ausnahme. Also, Kommissar, auf daß der Bessere gewinne!«
    »Weil Sie es so wollen: Auf daß der Bessere gewinne!«
    Er verschwand im Treppenhaus.

60. AUFBRUCH ZUM KREUZZUG
    Erschöpft tritt der Regen den Rückzug an. Er weicht an allen Fronten zurück. Auch ihm droht ein Raubtier. Es heißt Sonne.
    Die alte Verbündete der Ameisenzivilisation hat lange auf sich warten lassen, ist aber trotzdem noch rechtzeitig eingetroffen.
    Schnell hat sie die klaffenden Wunden des Himmels wieder zugeklebt. Der obere Ozean läuft nicht mehr auf die Welt.
    Die dem Unglück entronnenen Belokanierinnen kriechen heraus, um sich zu trocknen und aufzuwärmen. Ein Regen ist wie ein Winterschlaf, bei dem die Kälte durch Nässe ersetzt wird. Das ist schlimmer. Die Kälte schläfert einen ein, aber die Nässe bringt einen um!
    Draußen wird dem siegreichen Gestirn gehuldigt. Einige stimmen die alte Ruhmeshymne an:
     
    Sonne, dring in unsere hohlen Panzer,
    Bewege unsere schmerzenden Muskeln
    Und einige unsere geteilten Gedanken.  

    Überall in der Stadt wird das Duftlied aufgenommen. Belokan hat dennoch eine ganz gehörige Tracht Prügel abbekommen. Das bißchen, was noch von der Kuppel übrig ist, zermalmt von der Wucht der Hagelkörner, speit kleine klare Wasserstrahlen mit schwarzen Klümpchen aus: die Leichen der Ertrunkenen.
    Die Nachrichten, die aus den anderen Städten eintreffen, sind auch nicht gerade erhebend. Ein Wolkenbruch soll also genügt haben, um die stolze Föderation der roten Ameisen im Wald zu vernichten? Ein schlichter Regen, um ein ganzes Reich auszulöschen?
    Die Ruine der Kuppel gibt ein Solarium frei, wo die Kokons nur noch nasse Kügelchen sind, die in einer Schlammsuppe schwimmen. Und wie viele Ammen haben den Tod gefunden, als sie die Kleinen zwischen ihren Beinen schützen wollten?
    Einige haben es geschafft, die ihren zu retten, indem sie sie mit den Beinspitzen über ihre Köpfe hochgehalten haben.
    Die wenigen Überlebenden unter den Pförtnerinnen schälen sich aus den Eingängen zur Verbotenen Stadt. Fassungslos betrachten sie das Ausmaß der Katastrophe. Selbst Chli-pu-ni ist über das Ausmaß der Schäden bestürzt.
    Wie soll man unter diesen Umständen etwas Festes bauen?
    Wozu die ganze Intelligenz, wenn ein wenig Wasser genügt, um die Welt in den Zustand der ersten Tage der Ameisenzivilisation zurückzuversetzen?
    Auch Nr. 103 683 und die Rebellinnen verlassen ihre Deckung. Die Soldatin eilt sogleich zu ihrer Königin.
    Nach allem, was passiert ist, werden wir wohl auf unseren Kreuzzug gegen die Finger verzichten müssen.
    Chli-pu-ni hält inne, wägt das Pheromon ab. Dann bewegt sie ruhig die Antennen, antwortet mit nein; der Kreuzzug gehöre zu den vordringlichen Projekten, die durch nichts in Frage gestellt werden dürften. Sie fügt hinzu, daß ihre Elitetruppen, die im Inneren des Baumstumpfs der Verbotenen Stadt einquartiert sind, unversehrt geblieben und daß auch Rhinozeroskäfer in Reserve gehalten worden seien.
    Wir müssen die Finger töten, und wir werden es tun.
    Es bestehe jedoch ein Größenunterschied: Anstatt achtzigtausend Soldatinnen werde Nr. 103 683 nur noch …
    dreitausend zur Verfügung haben. Geringere Mannschafts-stärken, gewiß, aber altgedient und kampfbereit. Ebenso werde es statt der ursprünglich vorgesehenen vier Geschwader

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