Der Tag der Ameisen
fliegender Koleopter nur eines geben, dreißig Kopf stark, aber das sei besser als gar nichts.
Dem stimmt Nr. 103 683 zu und legt zum Zeichen ihres Einverständnisses die Antennen nach hinten. Dennoch bleibt sie hinsichtlich des Schicksals, das die dürftige Expedition erwartet, pessimistisch.
Daraufhin zieht Chli-pu-ni sich zurück und setzt ihre Inspektion fort. Manche Sperren haben gehalten und damit ganze Viertel gerettet. Doch die Verluste sind ungeheuerlich, und vor allem die Kokons und die nächste Generation sind dezimiert worden. Chli-pu-ni beschließt, ihren Legerhythmus zu steigern, um ihre Stadt schnellstmöglich wieder zu bevölkern. Sie hat noch Millionen von frischen Spermatozoiden in ihrer Spermathek.
Und da nun einmal Eier gelegt werden müssen, wird sie welche legen.
Überall in Bel-o-kan wird repariert, gefüttert, eine Analyse der Schäden erstellt, nach Lösungen gesucht.
So leicht geben die Ameisen sich nicht geschlagen.
61. FELSSAFT
In seinem Zimmer im Hotel Bellevue untersuchte Professor Maximilian MacHarious den Inhalt des Reagenzglases. Die Substanz, die Caroline Nogard ihm übergeben hatte, hatte sich in eine schwarze Flüssigkeit verwandelt, die wie Felssaft aussah.
Es klingelte. Die beiden Besucher wurden erwartet. Es handelte sich um ein äthiopisches Forscherehepaar, Gilles und Suzanne Odergin.
»Alles in Ordnung?« fragte der Mann sofort.
»Alles läuft genau nach Plan«, antwortete Professor MacHarious ruhig.
»Sind Sie sicher? Bei den Saltas geht keiner mehr ans Telefon.«
»Ach was! Die sind wahrscheinlich in Urlaub gefahren.«
»Caroline Nogard geht auch nicht mehr ans Telefon.«
»Sie haben alle so schwer gearbeitet! Es ist doch normal, daß sie sich ein wenig Ruhe gönnen wollen.«
»Ein wenig Ruhe?« spottete Suzanne Odergin.
Sie öffnete ihre Handtasche und schwenkte mehrere Zeitungsausschnitte, die vom Tod der Brüder Salta und Caroline Nogards berichteten.
»Lesen Sie denn nie Zeitung, Professor MacHarious? Die Gazetten bezeichnen diese Fälle bereits als ›Thriller des Sommers‹! Heißt das bei Ihnen ›nach Plan‹?«
Der rothaarige Professor schien durch diese Neuigkeit nicht sonderlich beunruhigt. »Wo gehobelt wird, fallen Späne.«
Die Äthiopier waren schlichtweg höchst beunruhigt.
»Hoffen wir nur, daß wir die Sache hinter uns bringen, ehe wir all unser Holz verraspelt haben.«
MacHarious lächelte. Er zeigte ihnen das Reagenzglas auf der Matratze.
»Da ist es, unser Tischlerstück.«
Gemeinsam bewunderten sie die schwarze Flüssigkeit mit den bläulichen Reflexen. Professor Odergin steckte das kostbare Fläschchen unsagbar vorsichtig in die Innentasche seiner Jacke.
»Ich weiß nicht, was los ist, MacHarious, aber seien Sie trotzdem vorsichtig.«
»Machen Sie sich keine Sorgen. Meine beiden Windhunde passen schon auf mich auf.«
»Ihre Windhunde!« rief die Frau aus. »Die haben nicht mal gebellt, als wir gekommen sind. Schöne Wachhunde!«
»Weil sie heute abend nicht hier sind. Der Tierarzt hat sie zu einer Untersuchung dabehalten. Aber morgen sind sie wieder zurück, um mich zu behüten, meine treuen Beschützer.«
Die Äthiopier verabschiedeten sich. Erschöpft legte Professor MacHarious sich schlafen.
62. DIE REBELLINNEN
Die entkommenen Rebellinnen haben sich in der Umgebung von Bel-o-kan unter einer Erdbeerblüte versammelt. Deren Fruchtaroma wird ihre Unterhaltung verwischen, falls eine dreiste Antenne hier in der Gegend herumschnüffeln sollte. Nr. 103 683 hat sich der Gruppe angeschlossen. Sie fragt, was sie jetzt zu tun gedächten, die paar wenigen, die noch da seien.
Ihre Führerin, eine Ungläubige, antwortet ihr: Wir sind nur wenige, aber wir wollen die Finger nicht sterben lassen. Wir werden uns noch mehr anstrengen, um sie zu versorgen.
Die Antennen heben sich der Reihe nach, um ihre Zustimmung zu signalisieren. Die Flut hat ihre Entschlossenheit nicht untergraben.
Eine Gottgläubige wendet sich an Nr. 103 683 und zeigt auf den Schmetterlingskokon: Du mußt jetzt los. Deswegen. Geh mit diesem Kreuzzug ans Ende der Welt. Es muß sein, für die Mission Merkur.
Versuch ein Fingerpaar mitzubringen, verlangt eine andere, wir wollen sie hegen, um zu sehen, ob sie sich in der Gefangenschaft vermehren.
Nr. 24, die jüngste in der Gruppe, will mit Nr. 103 683
mitkommen. Sie wolle die Finger sehen, sie riechen, sie berühren. Doktor Livingstone genüge ihr nicht. Er sei nur ein Dolmetscher. Sie wolle direkten Kontakt zu
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