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Der Tag der Ameisen

Der Tag der Ameisen

Titel: Der Tag der Ameisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Werber
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und der sich anscheinend nur an Chemikern vergreift, die auf Insektizide spezialisiert sind.«
    »Und der den Fliegen angst macht«, fügte Laetitia hinzu. Sie schenkte dabei zwei Flöten Ambrosia ein und sah ihn mit ihren großen lila Augen an.
    »Ja«, fuhr er fort. »Doch dieser MacHarious hat uns einen neuen Anhaltspunkt geliefert: das Wort ›Ameisen‹. Man könnte also daran denken, daß wir es mit Ameisen zu tun haben, die die Hersteller von Insektiziden angreifen. Der Gedanke ist natürlich amüsant, aber …«
    »Aber nicht besonders realistisch.«
    »Genau.«
    »Die Ameisen hätten Spuren hinterlassen«, meinte die Journalistin. »Sie hätten sich zum Beispiel für die Nahrungsmittel interessiert, die herumlagen. Keine Ameise kann der Anziehungskraft eines frischen Apfels widerstehen.
    Es lag aber einer unversehrt auf dem Nachttisch von MacHarious.«
    »Gut beobachtet.«
    »Also bleibt uns nur dieser Mord hinter verschlossenen Türen, ohne Spuren, ohne Waffe, ohne Einbruch. Vielleicht haben wir nur nicht genug Phantasie, um dahinterzukommen.«
    »Verdammt, es gibt doch keine zehntausend Möglichkeiten, zum Mörder zu werden.«
    Laetitia Wells lächelte geheimnisvoll.
    »Wer weiß? Die Krimis entwickeln sich. Versuchen Sie sich vorzustellen, was eine Agatha Christie des Jahres 5000
    schreiben würde oder ein Conan Doyle vom Mars, dann kommen Sie bei Ihren Nachforschungen weiter, da bin ich mir sicher.«
    Jacques Méliès schaute sie an, und seine Augen waren von Laetitia Wells’ Schönheit erfüllt.
    Diese stand verwirrt auf und holte sich ihre Zigarettenspitze.
    Sie steckte sich eine an und suchte Schutz hinter einer Wand aus opiumhaltigem Rauch.
    »Sie schreiben in Ihrem Artikel, ich sei zu selbstsicher und höre nicht genug auf die anderen. Sie hatten recht. Aber es ist nie zu spät, sich zu bessern. Lachen Sie jetzt nicht, aber ich habe das Gefühl, daß ich durch den Kontakt zu Ihnen schon angefangen habe, anders zu denken, offener … Jetzt bin ich sogar schon so weit, Ameisen zu verdächtigen!«
    »Wieder Ihre Ameisen!« meinte sie fast überdrüssig.
    »Warten Sie. Vielleicht wissen wir noch nicht alles über die Ameisen. Sie könnten Komplizen haben. Kennen Sie die Geschichte vom Rattenfänger von Hameln?«
    »Ist mir wieder entfallen.«
    »Eines Tages«, fing er an, »wurde die Stadt Hameln von Ratten heimgesucht. Überall wimmelte es davon. Es waren so viele, daß die Leute nicht mehr wußten, wie sie damit fertig werden sollten. Je mehr sie umbrachten, desto mehr neue kamen. Sie fraßen alle Lebensmittel auf, vermehrten sich blitzschnell. Die Einwohner dachten schon daran, alles zurückzulassen und die Stadt aufzugeben. Da bot ein junger Mann ihnen an, die Stadt gegen eine gute Belohnung zu retten.
    Die Räte hatten nichts zu verlieren, daher nahmen sie das Angebot ohne Widerrede an. Da fing der Junge an, Flöte zu spielen. Hingerissen versammelten die Ratten sich um ihn und folgten ihm, als er fortging. Der Flötenspieler lockte sie zum Fluß, wo sie alle ertranken. Doch als er seine Belohnung einforderte, lachten ihn die erleichterten Räte aus!«
    »Na und?« fragte Laetitia.
    »Na und? Stellen Sie sich eine vergleichbare Situation vor: Ein Flötenspieler, der in der Lage wäre, Ameisen zu lenken.
    Ein Mensch, der sich an ihren schlimmsten Feinden rächen will, den Erfindern von Insektiziden!«
    Endlich war es ihm gelungen, das Interesse der jungen Frau zu wecken. Sie starrte ihn mit ihren weitaufgerissenen lila Augen an: »Fahren Sie fort.«
    Sie wirkte nervös und stieß eine große Tabakwolke aus.
    Er blieb stumm, wie von neuer Erregung gepackt. Überall in seinen elektrischen Gehirnströmen machte es: »Dringdring, gewonnen.«
    »Ich glaub, ich hab’s.«
    Laetitia Wells blickte ihn sonderbar an.
    »Was haben Sie?«
    »Es ist ein Mann, der die Ameisen abgerichtet hat! Sie dringen in das Innere der Opfer ein und versetzen ihnen Stiche
    … mit ihren Kiefern … daher die inneren Blutungen, dann kommen sie wieder heraus, zum Beispiel durch die Ohren. Das würde erklären, warum viele Leichen aus den Ohren bluten.
    Dann nehmen sie wieder Aufstellung, tragen ihre Verletzten fort. Das dauert fünf Minuten, genau die Zeit, die Fliegen der ersten Abteilung daran zu hindern, daß sie herkommen … Was meinen Sie dazu?«
    Vom Anfang seiner Erklärung an teilte Laetitia Wells nicht die Begeisterung des Polizisten. Sie zündete sich noch eine Zigarette an. Sie gab zu, daß er womöglich recht habe,

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