Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tag der Dissonanz

Der Tag der Dissonanz

Titel: Der Tag der Dissonanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Dean Foster
Vom Netzwerk:
dem sich verdunkelnden Himmel entgegen. Jeden Augenblick konnte die Woge ihren Gipfelpunkt erreichen und sie unter Tonnen von Sand begraben. Jon-Tom versuchte, nicht daran zu denken, versuchte, an überhaupt nichts anderes zu denken als daran, den einen Fuß vor den anderen zu setzen. Sobald die Steigung der sich hinter ihnen auftürmenden Düne fünfundvierzig Grad überschreiten sollte, würde der Sand so schnell auf sie heruntergleiten, daß es sehr schwer werden würde, noch festen Tritt zu finden.
    Um sie herum wuchs die Wüste zu allen Seiten in den Himmel. Jon-Tom war unfähig, dafür eine Erklärung zu finden. Die Konjunktion sollte die Ursache sein, das hatte jedenfalls die Packratte behauptet. Inzwischen war der Mond aufgegangen und griff mit silbrigen Tentakeln nach den keuchenden, verzweifelten Fliehenden. Doch wann würde der kritische Augenblick kommen? Jetzt? In ein paar Minuten? Oder um Mitternacht? Wieviel Zeit blieb ihnen noch? Dann stieß Roseroar einen Schrei aus, und sie erblickten vor sich eine Hügelgruppe. Im Laufen wurden die Umrisse der Hügel schärfer, wurden regelmäßig und erkennbar: Rotfels, das nach dem roten Sandstein benannt worden war, aus dem seine vielstöckigen Türme und Gebäude bestanden. In den ersten Mondlichtstrahlen und den letzten Strahlen der Sonne hatte es den Anschein, als würde die Stadt lichterloh brennen.
    Nun fanden sie sich in Gesellschaft von Nachzüglern wieder - einige waren zu Fuß, andere hatten sich vorübergehend mit Kamelen und Packeseln zusammengetan. Manehe ließen panikerfüllt Peitschen über den Köpfen ihrer Zugechsen knallen.
    Mehrere Straußenfamilien rasten an ihnen vorbei, mit schweren Lasten, die sie auf ihre fluguntauglichen Flügel geschnallt hatten. Sie trugen keine Passagiere. Ebensowenig die Pumafamilie, die aus dem Norden heranraste. Meckernd und bellend, brüllend und klagend schoben sich diese Ströme bunten Lebens in drängenden, drückenden Linier der Stadt entgegen.
    »Wir schaffen es!« rief Jon-Tom seinen Gefährten zu, als sie sich der Nachhut anschlossen. Er blickte nicht zurück, aus Furcht, eine Lawine braungelben Staubes könnte ihn auf tödliche Weise Lügen strafen. Sein Rachen fühlte sich an wie der untere Teil der Motorhaube eines neuen Corvette nach einer ganztägigen Rallye, doch er wagte nicht stehen zubleiben, um etwas zu trinken, bevor sie hinter den Stadtmauern in Sicherheit waren.
    Da sackte der Boden unter seinen Füßen weg.
    Sie befanden sich auf einer Brücke, und als er den Blick senkte, konnte er durch die Ritzen im Holz spähen. Das Holz mußte aus fernen Bergen herbeigeschafft worden sein. Der Graben war bodenlos - ein schwarzer Ring, der die gesamte Stadt umzog.
    Jon-Toms erster Gedanke war, daß Rotfels mitten im Krater irgendeines uralten Vulkans auf einem Hügel erbaut worden war. Doch ein Blick auf die Grabenmauern belehrte ihn eines Besseren. Sie waren zu eben, zu glatt und zu senkrecht, um natürlichen Ursprungs zu sein. Irgend etwas hatte den furchterregenden Ring gegraben, doch was oder wer es gewesen war, vermochte er sich nicht vorzustellen.
    Schwere Düfte und Körperausdünstungen erfüllten die Luft. Die Brücke schien endlos lang zu sein und die Lücken zwischen den schweren Balken gefährlich breit. Wenn er aus Versehen danebentreten und mit einem Bein in eine solche Lücke abrutschen sollte, würde er zwar nicht in die Tiefe stürzen, aber die ihm nachdrängende Masse von Lebewesen würde ihn zu Tode trampeln.
    Als sie die Sicherheit der Stadtmauern erreicht hatten, legte sich die Panik. Reihen großer Wächter in gelber Kleidung trieben den Strom erschöpfter Flüchtlinge auf den riesigen Hof hinter dem Stadttor. Hinter der Mauer und dem unmittelbar davor liegenden Graben befand sich ein mehrere hundert Meter breiter unbekannter Streifen. Man hatte einen großen offenen Platz für die vor dem sich auftürmenden Sand Fliehenden bereitgestellt. Wie oft trat dieses Phänom eigentlich auf? Kamel und Packratte hatten sich zwar nicht dazu geäußert, doch offensichtlich handelte es sich um ein regelmäßig wiederkehrendes, vorhersehbares Ereignis. »Ich muß mal nachsehen, was draußen vor sich geht«, sagte Jon zu Roseroar. Die Tigerin, die den größten Teil der Menge überragte, nickte.
    In Erwartung der Flüchtlingsscharen waren Zelte aufgebaut worden. Jon-Tom und seine Gefährten gehörten zwar zu den letzten Ankömmlingen, hatten aber anderes im Sinn, als sich einen Unterschlupf zu

Weitere Kostenlose Bücher