Der Tag der Dissonanz
verdammte Vierbeiner hat sie hierhergeführt, also wird es wohl stimmen, wenn er sagt, daß er sich gut auskennt. Der würde sich doch nicht in eine Lage manövrieren, die ihm Nachteile bringt! Er behauptet, daß er jederzeit abhauen und sich woanders verstecken kann, wo es doppelt so sicher ist wie hier. Vielleicht lügt er ja, aber dieses Risiko dürfen wir nicht eingehen. Wir müssen sie hier erledigen, wo wir wenigstens wissen, womit wir es zu tun haben. Und das bedeutet, daß wir als erstes diesen gehörnten Naseweis loswerden müssen.«
»Wie war's, wenn wir zwei von unseren Bogenschützen näher heranführten? Welche, die bei Nacht gut sehen können? Wenn die sich an die Mauern heranschleichen, können sie vielleicht drinnen jemanden erwischen.«
Hathcar überlegte. »Nicht schlecht, aber wenn sie das Einhorn nicht sofort umlegen, wird dieser Mistkerl von Otter sie beide umblasen. Ich habe noch nie einen solchen Schützen erlebt.« Er schüttelte den Kopf. »Nein, Parsh, der Plan ist nicht gut genug. Ich bin sicher, daß einer von ihnen Wache steht, und ich will keinen von den Jungs noch einmal in das Bogenfeuer dieses Otters schicken. Nein, wir müssen das Einhorn irgendwie herauslocken, weit genug, daß wir es unschädlich machen können. Und zwar möglichst allein.«
Die Ratte spuckte aus. »Das klappt vielleicht, was?«
»Hm, das könnte funktionieren.«
Hathcar blickte den Wolf stirnrunzelnd an. »Ich habe den Vorschlag eigentlich nur halb im Ernst gemacht, Brungunt.«
»Ich meine es aber völlig ernst. Wir brauchen nur den richtigen Köder.«
»Dieser Schlag auf den Kopf, den du in Ollory abbekommen hast, hat dir wohl das Hirn aufgeweicht«, meinte Parsh. »Dieses Einhorn wird nichts und niemand so weit herausbringen, wie wir ihn haben wollen.«
»Red weiter!« bat Hathcar nachdenklich.
Der Wolf neigte sich zu ihm hin. »Es sollte stattfinden, wenn die meisten von ihnen schlafen. Wir müssen aufpassen und wittern, wenn der Hengst mit der Wache an die Reihe kommt.
Wenn sie nur eine einzige Wache einteilen, haben wir vielleicht eine Chance. Wir müssen allerdings sehr sorgfältig vorgehen, denn es wird sehr knapp werden, eine ziemlich heikle Sache. Ob wir einen Köder haben oder nicht - wenn der Naseweis uns wittern sollte, werden wir ihn wahrscheinlich nicht herauslocken können. Wir müssen uns also außer Reichweite begeben, nachdem wir den Köder ausgelegt haben. Es wird schon klappen, ihr werdet sehen. Der Köder ist so mächtig, daß er unsere Beute weit hinauslocken wird, wo wir ihm dann den Rückweg abschneiden können. Dann spielt es auch keine Rolle mehr, wenn er im Wald verschwinden sollte. Wichtig ist ja nur, daß wir ihn loswerden, dann können sie, die wir eigentlich haben wollen, nicht mehr auf seinen Rat und seine Hilfe hoffen.«
»Nein«, sagte Hathcar mit funkelnden Augen, »nein, den Vierbeiner will ich auch. Ich will ihn tot haben. Oder noch besser: wir schneiden ihm die Sehnen durch.« Er grinste bösartig im Dunkeln. »Ja, die Sehnen werden wir ihm durchschneiden, das ist noch besser.« Er zwang sich aus seiner genußvollen Betrachtung zukünftiger Vergnügungen in die Gegenwart zurück. »Und dieser Köder? Wo kriegen wir den her?«
Brungunt kratzte sich am Ohr, und selbst der skeptische Parsh wirkte plötzlich interessiert. »Zunächst einmal müssen wir ein Dorf ausfindig machen, in dem auch Menschen wohnen.« Er nickte beim Sprechen vor sich hin. »Das ist eine sehr alte Magie, die wir heute nacht durchführen wollen, aber man muß kein Hexer sein, um das zu können. Sie funktioniert von allein. Es heißt unter den Wissenden, daß man ein Einhorn niemals mit Gewalt, sondern stets nur mit List und Tücke einfangen kann.«
»Komm endlich zur Sache«, sagte Hathcar ungeduldig. Der Wolf beeilte sich mit seiner Erklärung. »Wir brauchen uns nicht an ihn heranzuschleichen, es wird zu uns kommen. Er wird einer reinen unberührten Maid folgen. So heißt es.«
Hathcar blickte zweifelnd drein. »Was für eine Maid? Ein Stutenfohlen?«
»Nein, nein. Es muß ein Menschenmädchen sein.« Parsh, die Ratte, war durch und durch schockiert. »Glaubst du etwa, du würdest hier irgendwo noch eine einzige Jungfrau finden? Egal welcher Art und Rasse?«
»Nicht weit von hier gibt es eine Stadt.«
»Crestleware.« Hathcar nickte.
»Wir können es immerhin versuchen«, sagte der Wolf und spreizte die Pfoten.
»Eine Jungfrau. Bist du deiner Sache auch wirklich sicher,
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