Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tag der Dissonanz

Der Tag der Dissonanz

Titel: Der Tag der Dissonanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Dean Foster
Vom Netzwerk:
wieder das Fallrepp hinauf.
    Roseroar setzte sich heftig und ballte und löste abwechselnd die riesigen Pranken. »Diese pelzige Schlange! Dem würd ich gern meine Krallen in...«
    »Noch nicht, Roseroar!« mahnte Jon-Tom. »Wir müssen Geduld haben. Die wissen nicht, daß ich ein Bannsänger bin. Wenn ich nur meine Duar in die Hand bekomme und man mich spielen und singen läßt, haben wir eine Chance.«
    »Was für 'ne Chance, Kumpel?« Mudge kauerte sich entmutigt in einer Ecke zusammen. »Daß du vielleicht an Roseroars Stelle irgendein armes Tanzmädchen 'erbeizauberst? Oder diesen Schleimkahn mit Blumen überschüttest?«
    »Ich werde schon irgend etwas tun«, erwiderte Jon-Tom wütend. »Du wirst es sehen.«
    »Das werde ich, Chef.« Der Otter drehte sich zur Seite und ignorierte dabei die Tatsache, daß der Käfigboden aus feuchtem Stroh bestand, der von dem Urin früherer Gefangener dunkel gefärbt war.
    »Was tust du denn da?«
    »Werd mich schlafen legen, Kumpel.«
    »Wie kannst du jetzt bloß schlafen?«
    »Weil ich müde bin, Kumpel.« Der Otter musterte ihn. »Bin müde zu kämpfen, müde vor Angst und vor allem müde davon, mir an'ören zu müssen, was für 'n wunderbarer Bannsänger du bist. Wenn du soweit bis, uns aus diesem Loch 'erauszuzaubern und an irgendeinen zivilisierten Ort zu bringen, dann weck mich. Wenn nich, dann 'ab ich vielleicht Glück und wach gar nich mehr auf.«
    »Man sollte sich nie von Pessimismus beherrschen lassen«, tadelte ihn Jalwar.
    »Ach, mach bloß dein Kuchenloch zu, du nutzloser alter Furz! Weißt ja überhaupt nich, wovon du redest.« Verletzt verstummte der alte Händler.
    Jon-Tom war an das Gitter getreten und hielt einen der Stäbe umklammert. Sie waren tief im Holz des Schiffs verankert. Kleine Raubechsen und erschreckend große Käfer huschten in den dunklen Zonen des Schiffraums umher, während andere, wie deutlich zu hören war, die Sparren als Laufplanken benutzten.
    Dann drehte er sich um und schritt zu Roseroar hinüber, um ihr eine tröstende Hand auf den Kopf zu legen und sie zwischen den Ohren zu kraulen. Sie reagierte mit einem matten, halbherzigen Schnurren.
    »Mach dir keine Sorgen, Roseroar! Ich habe dich in diese Lage gebracht. Vielleicht kann ich mich selbst nicht nach Hause befördern, aber dich werde ich hier schon rausholen, verdammt noch mal! Das bin ich dir schuldig. Das bin ich euch allen schuldig.«
    Mudge schlief bereits und hörte den Schwur nicht. Jalwar hockte in einer anderen Ecke und zupfte resigniert anl Strohhalmen.
    Ich weiß bloß nicht, wie ich euch alle hier rausholen soll, dachte Jon-Tom.

VIII
    Irgendwie war die Vorstellung vom ›Deckschrubben‹ von Unschuld geprägt: eine Spiegelung der Erinnerung an Kindheitsgeschichten von hölzernen Schiffen und eisernen Männern.
    Die Wirklichkeit war jedoch etwas völlig anderes.
    Man mußte auf Händen und Knien auf einem Deck aus rohen Brettern hocken, bis zur Hüfte nackt unter einer sengenden Sonne, die einem den Nacken verbrannte und die Haut am Rücken abpellte. Aus den Achselhöhlen floß der Schweiß in Strömen, ebenso von Stirn und Bauch. Alles, was klein war und fest - ob es nun ein Stäubkorn sein mochte oder eines der eigenen Haare, das ins Auge drang -, trieb einen beinahe dazu, schreiend zur Reling zu laufen und sich von Bord zu stürzen.
    Die salzige Luft verschlimmerte die Lage noch, indem sie nämlich die wunden Stellen reizte und sie sich schneller entzünden und röten ließ. Splitter bohrten sich schmerzhaft in die ungeschützte Haut von Händen und Fußknöcheln, während die Handflächen vom Schieben der breiten, in laugenhaltige Reinigungsmittel getauchten Bürsten wund wurden.
    Unterdessen arbeitete man sich langsam das Deck entlang vorwärts und achtete peinlich genau darauf, jeden Blutfleck sorgfältig zu beseitigen. Sonst würde man nämlich durch irgendein Mannschaftsmitglied daran erinnert, das einem mit schwerem Fuß auf die zerschundenen Finger stampfte.
    Bis zum Mittag war es Jon-Tom gleichgültig geworden, ob sie gerettet oder über Bord geworfen würden, um von irgendwelchen fleischfressenden Fischen vertilgt zu werden, die diesen Teil des Glittergeistmeers bewohnen mochten. Er hatte nicht mehr viel Hoffnung. Er hatte Clodsahamps Krankheit und die Rückkehr in seine Welt vergessen, ebenso alles andere - bis auf den Gedanken daran, wie er diesen Tag überleben würde.
    Am späten Nachmittag hatten sie jeden Quadratzentimeter des Hauptdecks geschrubbt und

Weitere Kostenlose Bücher