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Der Tag der Messer: Roman (German Edition)

Der Tag der Messer: Roman (German Edition)

Titel: Der Tag der Messer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Lohmann
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vielen Mondläufen im Labyrinth. Schau dir an, wie es hier aussieht. Auch wenn es keine Ungeheuer gäbe, kann er nicht so lange überlebt haben.«
    »Wir haben noch nicht viel von diesem Ort gesehen«, widersprach ihr Audan. »Es gab feuchte Stellen, womöglich war da irgendwo Wasser zum Trinken. Vielleicht findet man auch was zu essen. Wir können zumindest versuchen, ob wir Wito so leichter finden. Ehe wir einfach weiter ziellos durch das Labyrinth stapfen und uns verirren.«
    Er zog Magati am Arm.
    Sie erhob sich zögernd. »Es tut mir leid, dass ich uns hergebracht habe«, sagte sie.
    »Ach was«, sagte Audan. »Wir finden Wito. Wir kommen wieder raus.«
    Gemeinsam gingen sie den Weg zurück, den sie gekommen waren. Sie versuchten es jedenfalls. Die Gänge ähnelten einander so sehr, dass sie bald Zweifel hatten, ob sie jedes Mal die richtige Abzweigung nahmen. Als Audan überzeugt war, dass sie den ersten Gang wieder erreicht hatten, fanden sie weder den Kadaver des Käfers noch Werzaz’ Ausrüstung.
    »Wenn wir nicht richtig sind, kann es jedenfalls nicht weit sein«, meinte Audan. »Vielleicht sind wir in einem Nebengang oder noch eine Biegung entfernt. Wito wird uns hören, wenn er in der Nähe ist.«
    »Du willst ihn rufen?«, fragte Magati. Sie erinnerte sich an die Ungeheuer und hielt das für keine gute Idee. Was auch immer Werzaz fortgeschleppt hatte, es war womöglich noch in der Nähe. Aber Audan ließ sich nicht aufhalten.
    »Wito! Wito!«, rief er. Langsam ging er weiter.
    Magati folgte ihm. »Wito?«
    Sie wanderten den großen Stollen entlang, spähten in die dunklen Schächte. An den Einmündungen riefen sie, warteten und lauschten auf eine Antwort. Doch nur ihr eigenes Echo kam zu ihnen zurück.
    Magati fröstelte. »Das bringt nichts«, sagte sie.
    »Pst«, flüsterte Audan. »Hörst du das?«
    Magati lauschte. Ihr standen die Haare zu Berge. Ein Laut wie ein fernes Rascheln drang an ihr Ohr. »Ich glaube, da kommt etwas«, erwiderte sie.
    Audan nickte.
    »Wir machen uns lieber klein und verstecken uns«, flüsterte Magati.
    Die beiden Gnome wechselten ihre Größe und krochen in eine Ritze. Sie fühlten sich gleich viel sicherer, obwohl sich die Umgebung eigentlich gar nicht so sehr verändert hatte. Sie liefen wieder durch einen Irrgarten, nur dass die Wände weiter auseinandergerückt waren und der Raum über ihnen leer schien. Dennoch fühlten sie sich der großen Welt mit ihren Ungeheuern entrückt.
    Plötzlich zupfte Audan Magati am Ärmel. Er wies auf eine Stelle am Boden, wo die Seitenwand einen leichten Überhang bildete. Etwas lag dort im Staub. Vorsichtig traten sie näher. Es waren Ketten, halb zugeweht.
    »Witos Ketten!«, sagte Audan. »Hier hat er sich befreit!«
    Magati sah sich um, aber sie fand keine weiteren Spuren. Auch nichts, was darauf hindeutete, dass Wito in diesen Ketten gefangen gewesen war. Etwas an dieser Sache kam ihr seltsam vor, seltsam und unwirklich. Aber ehe sie ihr Unbehagen genau greifen konnte, riss Audan sie aus ihren Gedanken.
    »Wito! Wito!«, rief er laut.
    »Spinnst du?« Magati stieß ihn in die Seite. »Wer weiß, was sich da über uns herumtreibt.«
    »Meinst du, die Ungeheuer können uns hören und die Rinnen auskratzen?« Audan legte erschrocken die Hand auf den Mund.
    Magati blickte nach oben. »Keine Ahnung«, sagte sie. »Wito wird uns jedenfalls kaum hören. Unsere Stimme in dieser Größe trägt nur wenige Bodenplatten weit, und es wäre schon ein seltsamer Zufall …«
    Sie verstummte. Ungläubig starrte sie zur nächsten Gabelung, wo drei der Bodenplatten aneinanderstießen. Eine Gestalt in zerlumpter Kleidung spähte dort vorsichtig um die Ecke, schaute die beiden Gnome an.
    »Audan?«, fragte der Gnom vor ihnen. »Magati? Was macht ihr denn hier?«
    Es war Wito.
    Fürst Sukan von Opponua trat des Abends in sein Kaminzimmer. Es war ein düsterer Raum, voll von Jagdtrophäen und einigen Vitrinen mit Likören und Gläsern dazwischen. Das einzige Licht kam vom Kamin her, den die Diener bereits angefacht hatten. Zuckende Flammen holten die Köpfe an den Wänden aus dem Dunkel, die Hirsche und Bären und Eber, die sich in den Schatten zu bewegen schienen. Ihre gläsernen Augen glühten.
    Sukan schnupperte. Ein eigentümlicher Geruch stieg ihm in die Nase. Da lag ein Brandgeruch im Raum, der nicht vom Kamin herkam. Der Rauch trug eine würzige Note …
    Sukan spähte zu dem hohen Lehnsessel, der mit dem Rücken zur Tür vor der Feuerstelle stand.

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