Der Tag der Messer: Roman (German Edition)
ihrer Natur entspricht. Aber natürlich hast du recht. Es wird Verluste geben. Darum wäre es mir lieber gewesen, wir hätten die Goblins bei Tag in der Stadt erwischt.«
»Du hast keine Ahnung, wo sie die Fledermäuse herhaben«, griff Ganoch Darnamurs Worte auf. »Vielleicht gibt es noch mehr, was wir nicht wissen. Wenn sie doch Nachtalben auf ihrer Seite haben, die die Fledermäuse befehligen, können leicht wir zu den Gejagten werden.«
»Die Fledermäuse«, krächzte eine Stimme hinter dem Tisch. Die Gnome fuhren herum. Dranjar war in die Gnomenstube gewankt und bis zum Tisch gehumpelt. Er atmete schwer. Seine Lippen waren blutverschmiert, und seine Kleidung war stinkend und verdreckt. »Ich weiß, wo die Fledermäuse bei Tag ruhen«, sagte er. »Gebt mir Brandöl und Schwefel. Gebt mir einen Trupp, und ich führe euch gleich durch den Kanal bis unter die Zitadelle. Wir holen uns heute jede Fledermaus. Und nächste Nacht jeden Goblin in der Stadt.«
Er holte tief Luft, hielt sich den Bauch und krümmte sich. Dann wandte er sich an Darnamur. »Darnamur«, sagte er keuchend. »Sie haben Batha erschlagen. Ich will sie tot sehen. Jeden Einzelnen von ihnen.«
Es dauerte lange, bis Audan und Magati endlich wagten, ihre natürliche Größe wieder anzunehmen. Sie schauten sich um. Von Werzaz war keine Spur zu sehen. Sein Bündel lag an der Seite, aufgerissen und durchwühlt, wie er es zurückgelassen hatte. Nur der zertretene Kadaver des Tentakelkäfers zeugte von beiden Angriffen gleichermaßen.
»Wir müssen hinterher«, sagte Magati. »Wir müssen nach Werzaz suchen.«
»Und was sollen wir dabei finden?«, fragte Audan.
Magati blickte unschlüssig den Gang entlang, in die Richtung, in die das Ungeheuer verschwunden war und in die es Werzaz vermutlich mitgeschleppt hatte. Es war wieder heller geworden. Fast hätte man meinen können, es wäre nichts geschehen.
»Werzaz ist ohnehin tot«, behauptete Audan.
»Und wenn nicht?«, fragte Magati. »Das dachten wir schon nach dem ersten Angriff. Vielleicht liegt er irgendwo verletzt und braucht Hilfe.«
»Vielleicht liegt er auch im Hort dieses Ungeheuers, und das braucht noch einen Nachtisch«, erwiderte Audan. »Wir sind hier, um nach Wito zu schauen.«
»Richtig – Wito«, sagte Magati. »Suchen wir ihn zuerst. Und wenn wir ihn finden … Wito könnte uns sagen, was wir tun sollen.«
Sie entfernten sich in die andere Richtung, entgegengesetzt zu der, in die Werzaz verschwunden war, als wäre es irgendwie folgerichtig, dass die Suche nach Wito dort beginnen musste. Dennoch warfen sie immer wieder einen Blick über die Schulter zurück. Audan war besorgt, aber Magati empfand den Stich eines schlechten Gewissens.
Sie schlichen die Gänge entlang, kamen vorbei an Einmündungen und an Schächten auf halber Höhe der Wand, in denen es dunkel war. Immer wieder hielten sie inne, um zu lauschen, und mehrmals machten sie sich klein, weil sie etwas zu hören glaubten. Sie verkrochen sich in den Ritzen und warteten. Aber nichts geschah.
Schließlich sagte Magati: »Das hat alles keinen Sinn.«
Sie setzte sich hin, lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand und ließ den Kopf sinken. Audan blieb vor ihr stehen, schaute den Gang entlang und drängte: »Komm weiter. Wir können hier nicht bleiben!«
»Warum nicht? Ein Teil des Labyrinths ist so schlecht wie der nächste. Wir könnten ewig hier umherirren, ohne dass wir Wito finden. Es war eine ganz dumme Idee, herzukommen. Wir finden Wito nicht, und wir finden selbst nicht mehr hinaus. Werzaz war der Einzige, der hier überhaupt etwas tun konnte, und wie lange hat er durchgehalten?«
»Vielleicht«, sagte Audan, »können wir es klüger anstellen. Wir müssen nicht blind durch die Gänge stiefeln, um Wito zu finden.«
»Und wie willst du dir Wito herbeidenken?« Magati schaute Audan an. Wie willst du Wito herbeidenken, lag es ihr auf der Zunge, aber sie sprach es nicht so aus. War diese Dummheit ihre Idee gewesen oder die von Audan? Sie wusste es nicht mehr genau, aber sie fürchtete, dass sie wenig Grund hatte, sich Audan überlegen zu fühlen.
»Wito war ganz alleine hier«, sagte Audan. »Unter all den Ungeheuern. Er hat sich bestimmt klein gemacht und Deckung in den Ritzen gesucht. Wenn er nur in kleiner Gestalt unterwegs ist und an derselben Stelle ins Labyrinth gekommen ist wie wir, dann kann er nicht weit gekommen sein.«
»Das sind viele Wenns«, erwiderte Magati müde. »Und überhaupt, Wito ist schon seit
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