Der Tag der Messer: Roman (German Edition)
Meister Aldungan gehört hatte und in dem sie inzwischen allein mit Bleidan lebte. In der Diele hinter der Tür hängte sie ihren Mantel an einen Haken und legte Balgir wie einen Schal darüber.
Das Taschentier zischte und keckerte aufgebracht hinter ihr her. Frafa hüpfte die Treppe hinauf und lachte.
Als Erstes lief sie bis fast zur Spitze des Turms hinauf und zu Bleidans Arbeitsraum. Von den Übergriffen der Goblins waren keine Spuren mehr zu sehen. Nur die Käfige mit den Tieren wirkten ein wenig ausgedünnt, und die Regale mit den Präparaten waren beinahe leer.
Bleidan war noch nicht zurück, obwohl das Licht der Morgensonne schon durch das Fenster fiel. Frafa stand einen Augenblick unschlüssig mitten im Raum, dann nahm sie sich der Tiere an. Als sie das Futter verteilte, kam ihr ein Gedanke. Ihre Lippen kräuselten sich, und sie schaute noch einmal hinaus in den Flur. Von Bleidan war keine Spur zu sehen. Sie war allein.
Sie huschte wieder in das Arbeitszimmer zurück und holte eine Blütenschlange aus einem Vivarium. Sie beruhigte das Tier, indem sie seine Aura lähmte. Dann trug sie es zum Treppenaufgang. Frafa sah sich um und grübelte darüber nach, welches der beste Ort wäre. Schließlich wählte sie den Handlauf des Geländers, gleich hinter der Biegung an einem Absatz der Treppe.
Frafa sammelte all ihre magischen Kräfte. Sie fühlte die Macht des Kästchens in sich, aber es fehlte ihr immer noch an Kontrolle. Daran würde sie arbeiten müssen …
Schließlich schaffte sie es. Die winzige Schlange hatte nun dieselbe Farbe wie das Geländer, und sie war so darum herumgelegt, dass nur der Kopf an der Seite hervorschaute. Außerdem hatte Frafa die Essenz des Tieres gedämpft, sodass es gelähmt war und schlechter wahrzunehmen. Sobald die Aura eines anderen Wesens in ihre Nähe kam, würde die Schlange wieder aufleben.
Frafa lief wieder nach oben und verbarg sich in der Diele. Sie kicherte erneut.
Als Hüterin von Leuchmadans Kästchen war sie mächtig. Eine bedeutsame Albe, die Bleidan auf Augenhöhe gegenübertreten konnte. Es wurde Zeit, das auch zu tun. Sie wollte ihn auf Nachtalbenart auf die Probe stellen.
Frafa wartete. Sie ging auf und ab. Bleidan kam nicht. Frafa wurde langweilig.
Sie lief wieder in das Arbeitszimmer und kümmerte sich um die Tiere. Allmählich wurde sie müde, müde und aufgedreht zugleich. Sie blinzelte und beschloss, dass sie als Nächstes die Kunst der Meditation erlernen musste.
Da hörte sie von der Treppe her einen kurzen Aufschrei. Dann war es still.
Frafa erstarrte.
Ihr Herz schlug heftiger. Sie lauschte, aber es blieb still. Ein unbehagliches Gefühl breitete sich in ihrem Inneren aus. Sie rannte los.
Frafa nahm immer drei Stufen auf einmal. Im Nu war sie an Bleidans Seite. Der Alb stand auf dem Treppenabsatz und hielt die Schlange in der Linken, der Körper des Tiers hing schlaff herab. Die rechte Hand hielt Bleidan in die Höhe. Auf der olivgrünen Haut war ein dunkler Fleck zu sehen, der sich rings um zwei Bissmale ausbreitete. Bleidan atmete schwer.
»Bleidan!«, rief Frafa. »Geht es dir gut?«
Bleidan richtete seine ganze Aufmerksamkeit auf die Hand. Die Verfärbung ging zurück. Die Schwellung unter der Haut ließ nach. Die winzigen Punkte in der Mitte verschwanden, bis nur noch zwei grüne Blutstropfen zu sehen waren.
Erst dann wandte er sich zu Frafa hin. Er musterte sie ruhig und schweigend, und Frafa fröstelte beim Blick dieser schwarzen Augen.
»Es war eine Prüfung. Ein Bote«, stammelte sie. »Wie bei Saira und Tartanis. Ein … Nachtalbenbrauch.«
»Nachtalbenbrauch«, sagte Bleidan nur. Sein Gesicht war wie eingefroren. Frafa schaute ihn an, voll banger Erwartung, und ihr wurde bewusst, dass sie Bleidan schon lange nicht mehr so genau betrachtet hatte. Seine Gegenwart war ihr allzu selbstverständlich geworden. Aber er hatte sich verändert. Für einen Nachtalb wirkte er beinahe hager. Seine Farbe war bleich und ungesund, das Haar stumpf. Das war nicht derselbe Mann, den Frafa vor einem halben Jahr kennengelernt hatte.
Er war nicht mehr schön.
Frafa hatte die letzten Monde neben ihm hergelebt, sich über seine Rückkehr gefreut und den Anblick, den sie jeden Tag vor Augen hatte, durch die Erinnerung ersetzt. Aber Bleidan hatte sich von der Gefangenschaft nicht erholt. Er sah eher noch schlechter aus.
Bleidan fasste Frafa beim Arm und ging mit ihr die Treppen hoch. Dort legte er die Schlange wieder in das Vivarium.
»Ein
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