Der Tag der Messer: Roman (German Edition)
unterbreiten sollen, damit ich sie dort vorbringe.«
»Ich war mir nicht sicher, ob du die rechte Überzeugung aufbringst.«
Die beiden standen eine Weile da und blickten zwischen den Zinnen hindurch den Menschen nach. Endlich seufzte Darnamur. »Wie auch immer«, fuhr er fort. »Der Rat hat entschieden, und ich beuge mich der Abstimmung. Jetzt haben wir die Goblins also wieder am Hals. Ihre Weiberhauptleute. Feiere deinen Erfolg, Ganoch, und hoffe darauf, dass es gut geht. Ich fürchte, mit den Goblins ist kein Staat zu machen. Wenn sie sich wieder erheben, wird das Blut von Daugazburg an deinen Händen kleben.«
»Im Augenblick haben wir jedenfalls Ruhe«, stellte Ganoch fest. »Ich sehe die Goblinweiber lieber im Rat und ihre Männer in den Werkstätten, als dass sie sich weiterhin in den Katakomben verkriechen und in dunklen Gassen die Spaziergänger meucheln, um zu überleben.«
»Damit wären wir fertig geworden«, sagte Darnamur. »Hättest du dich um die Truppen gekümmert und ich mich um den Rat, dann hätten wir das Goblinproblem viel endgültiger gelöst. Aber was soll’s.« Darnamur atmete tief durch. »Denken wir an die Zukunft.«
Er trat einen Schritt von der Mauer zurück und sah Ganoch an. »Wenn du wieder in die Berge aufbrichst und neue Bündnisse aushandelst, will ich, dass du Trolle ausfindig machst.«
»Trolle?«, fragte Ganoch. »Wozu?«
»Ich brauche sie hier in der Stadt. Versuche, welche anzuwerben. Wir haben die Ruhe wiederhergestellt. Jetzt müssen wir das neue Daugazburg bauen.«
»Du willst Trolle in die Stadt holen?« Ganoch schüttelte den Kopf. »Und mit Goblins wolltest du nichts mehr zu tun haben, weil sie sich nicht im Zaum halten lassen?«
»Willst du es dir zur Gewohnheit machen, gegen alles, was ich sage, einen Einwand vorzubringen?«
Ganoch hob abwehrend die Arme. »Ich verstehe es nur nicht.«
»Wir müssen die Stadt wiederaufbauen«, sagte Darnamur. »Das betrifft die Ordnung ebenso wie die Bauten. Und ich möchte sie richtig bauen. Dazu brauche ich Trolle.«
»Wenn du die Menschen fortschickst und dafür Trolle holst, wird das der Ordnung nicht guttun.«
»Dein Auftritt vor dem Rat auch nicht«, erwiderte Darnamur. »Soll in Zukunft etwa jeder Offizier glauben, dass er da reinplatzen und eine Rede halten kann? Aber diese Bauten, die nur die Trolle für uns errichten können, die brauchen wir. Leuchmadan und die Fei regieren noch immer in den Köpfen der Bürger. Wir müssen ihnen sichtbare Symbole der Revolution bieten, um unsere Stellung zu stärken.«
Ganoch blickte über die Stadt hinweg, über die schiefen Türme, die zahllosen Erker, die steilen, überhängenden Dächer über den finsteren Gassen. Das alte Daugazburg.
»Möglicherweise hast du recht«, räumte er ein. »Ich weiß nur nicht, ob Trolle das richtige Symbol für ein neues Daugazburg sind.«
Frafa eilte beschwingt durch die Gassen von Daugazburg. Balgir hatte sich um ihren Leib gerollt und lag auf ihren Hüften wie ein Gürtel.
Fünf Tage lang hatte sie nach dem Aufstand der Goblins in der geheimen Kammer ausgeharrt, bis Darnamur sie gefunden und ihr erklärt hatte, dass die Gefahr vorüber war. Fünf Tage lang hatte sie an der Macht von Leuchmadans Kästchen genippt, und sie konnte diese Kraft noch immer in ihrem Inneren fühlen.
Es war eine ungesunde Kraft, die in Frafas Geist wütete wie ein Strohfeuer, heiß und hell, aber ohne feste Scheite, die für eine ruhige, warme Glut sorgten. Inmitten ihres Tatendrangs fühlte Frafa eine Leere, als hätte ihr körperliches Dasein an Substanz verloren.
Sie wusste, dass ihr Hochgefühl eine hysterische Note trug. Dennoch ließ sie sich bereitwillig davon mitreißen. Frafa fühlte sich stark, allem Irdischen entrückt. Es war, als flöge ihr Geist dahin. Sie hatte von den Honigtöpfen der Zaubermacht gekostet. Oder von den Metkrügen … Frafa kicherte bei diesem Gedanken.
Sie hatte diese Möglichkeit, die ihr das Kästchen bot, nur durch Zufall entdeckt. Doch seither machte sie eifrig Gebrauch davon. Wann immer sie Leuchmadans Lebenskraft in die Grauen Lande entließ, naschte sie erneut davon. Sie lenkte einen Teil der Kraft in ihren Körper, und wenn sie dann nach Hause ging, wie jetzt, war ihr, als habe sie süßen Wein getrunken.
Die Menschen und Nachtmahre und Kobolde, die durch die Straßen gingen, zogen wie Schemen an Frafa vorüber. Die Häuser am Straßenrand sahen aus wie Silhouetten aus Rauch.
Sie kam bei dem Turm an, der einst ihrem
Weitere Kostenlose Bücher