Der Tag der Messer: Roman (German Edition)
hinab. Dranjar hörte, wie seine eigenen Leute die Armbrust hoben oder das Schwert zogen.
»Das ist keine Intrige«, sagte er. »Oder vielleicht doch. Der Rat fordert deine Verhaftung, und wir müssen ihm entgegenkommen.«
»Also opfert ihr mich.«
Dranjar zuckte die Achseln. »Du hast es selbst gesagt. Wir brauchen Verstärkung gegen die Bitaner.«
Ganoch hob die Hände. Dann löste er den Waffengurt. Die Gnome seiner Leibwache blickten einander unschlüssig an. »Also gut«, sagte er. »Ich komme mit. Aber ich will als Erstes Darnamur sprechen. Er kann unmöglich glauben, dass er damit durchkommt. Ich verstehe nicht, warum du dabei mitmachst!«
Dranjar blickte verlegen zur Seite. »Du bist Soldat«, murmelte er. »Du weißt, wie es ist. Man muss tun, was nötig ist. Zum Wohl aller Kameraden.«
Ganoch hatte seine Waffen abgelegt. Auf seinen Wink hin steckten auch seine Wachen ihre Kurzschwerter weg. Dranjar ließ den Dolch sinken.
Ganoch schüttelte den Kopf und holte tief Luft. »Ich hatte es fast vergessen. Batha war ja diejenige von euch beiden, die den Verstand hatte. Dranjar, reden wir über Darnam …«
Dranjar packte Ganoch und verdrehte ihm den Arm, sodass der General mit einem Schmerzenslaut in die Knie ging. »Ich muss meine Pflicht tun«, sagte er. »Wehrt Euch nicht, General Ganoch.«
Er nahm ein Stück Seil vom Gürtel. Mit einem kurzen Blick vergewisserte er sich, dass Ganochs Wachen nicht eingriffen. Dann bog Dranjar ihm die Arme nach hinten und legte den Strick um die Handgelenke. Kaum merklich drängte er Ganoch dabei auf die Kante der Treppe zu.
»Was tust du da?«, rief Ganoch. Er sträubte sich. Dranjar stieß ihm das Knie in die Niere. Ganoch zuckte zusammen und fuhr herum. Er riss seine Hand aus Dranjars Griff und schleuderte ihn zurück. Dranjar prallte hart gegen die Turmwand. Er griff nach seinem Dolch, geriet ins Stolpern und rutschte die Treppe zwei Stufen hinunter. Er bekam keine Luft mehr, und der Schmerz wühlte in seinen Eingeweiden.
Ganoch setzte nach, packte Dranjar am Kragen, riss ihn hoch und stieß ihn noch einmal gegen die Wand. »Was soll das, bei Leuchmadan?«, brüllte er ihn an. »Willst du …«
Ein gedämpfter Knall. Ganoch verstummte. Ein Bolzen steckte in seiner Seite, und die blutige Spitze ragte ein Stück weit aus seinem wattierten Lederwams heraus.
Dranjar nahm alle Kraft zusammen und stieß Ganoch von sich fort. Der General taumelte einen Schritt zurück, strauchelte … und fiel über die Treppenkante in die Tiefe.
Frafa fand keine Ruhe. Sie suchte den Turm der Fei auf, in der Hoffnung, Darnamur in seinem Arbeitszimmer anzutreffen. Aber die Kanzlei war verlassen. Frafa erwog, mit Salvan beim Besprechungssaal zu warten. Doch die Wachen vor Darnamurs Tür erwarteten sicher, dass sie mit dem Kästchen arbeitete. Sie würden Fragen stellen, wenn sie so schnell wieder herauskam.
Also ging sie weiter bis in den Turm der Fei und streifte dort unschlüssig durch die Gänge. Nichts zog sie in die geheime Kammer. Doch dann fiel ihr ein, dass sie von dem Erker aus einen guten Blick über die Zitadelle hatte. Vielleicht konnte sie von dort aus erspähen, was Darnamurs Aufmerksamkeit in Anspruch nahm!
Sie eilte die verborgene Stiege empor und spähte oben hinaus.
Das Leben im Palast schien seinen normalen Gang zu nehmen. Wachen patrouillierten auf den Mauern und in den Höfen, Bedienstete gingen ihrer Arbeit nach. Aber als sie die Szenerie eine Weile betrachtete, bemerkte sie doch einige Absonderlichkeiten. Greifen kreisten über dem Warpelturm, und auch beim Gebäude selbst herrschte ungewohnte Betriebsamkeit. Dann marschierten mehrere Alben mitsamt einer Schar bewaffneter Gnome in diese Richtung.
Frafa beschloss, ihnen zu folgen. Sie verließ den Turm durch einen anderen Ausgang, der direkt in den Innenhof führte, und durchquerte mehrere Flügel des Palastes bis zu dem schmalen Vorplatz am Fuße des Warpelturms. Er war voll mit Bewaffneten. Menschen und vor allem Gnomenspäher suchten den Boden ab, als hätte jemand einen wertvollen Ring verloren. Die Alben, die würdevoll und mit in sich gekehrtem Gesichtsausdruck dazwischen einherschritten, wirkten merkwürdig fehl am Platze. Frafa erkannte einige Ratsmitglieder, und zu ihrer Überraschung war auch Salvan hier. Sie eilte zu ihm.
»Was ist geschehen?«, fragte sie. »Was suchen die Leute alle?«
»General Ganoch«, erwiderte Salvan. Ein leichtes Lächeln kräuselte seine Lippen. »Anscheinend hatte
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