Der Tag der Messer: Roman (German Edition)
sich von selbst losriss.
Die Leine schnellte ein Stück fort und hing dann wieder fest.
Darnamur schaute nach unten. Die Lagerfeuer waren kleine Punkte auf einer grauen Ebene. Er konnte nicht abschätzen, wie hoch er war, wie schnell er zu Boden raste. Aber er spürte die Beschleunigung. Der Wind zerrte wieder kräftiger an ihm.
Hastig schnitt er einige Trimmgewichte los. Der Sturz verlangsamte sich ein wenig. Aber der Drache allein würde ihn trotzdem nicht sicher auf den Boden bringen.
Keuchend löste Darnamur seinen Oberkörper aus den Gurten. Er steckte das Messer weg und zog das Kurzschwert. Mit der Spitze kam er an die Knoten heran und durchtrennte sie.
Der Drache flog davon, und Darnamur stürzte im freien Fall. Fast wurde er aus dem Gefährt geschleudert, und nur von den Gurten um die Oberschenkel gehalten, baumelte er halb aus dem Gestell heraus. Er verlor das Schwert.
Darnamur zappelte, tastete nach den Griffen und bekam sie zu fassen.
Er zog daran.
Die Tragflächen fingen den Wind, das Holz ächzte. Darnamur schob den Hebel ein wenig zurück, die Flügel klappten wieder zusammen. Er öffnete sie wieder, versuchte, den Fall zu bremsen, ohne die Flügel zu überlasten. Aber als er sie nur halb aufklappte, geriet die Maschine ins Schlingern, und die Trimmgewichte unter ihm konnten die Flugbahn nicht stabilisieren.
Darnamur versuchte, die Lagerfeuer im Auge zu behalten. Ihm wurde übel. Als er glaubte, dass sein Fluggerät richtig in der Luft lag, riss er beherzt an den Hebeln. Es krachte, und ein Ruck schleuderte ihn von seinem Platz. Aber die Schwingen waren eingerastet.
Darnamur hing kopfunter in einem Gestell aus drei übereinanderliegenden und mit Seide bespannten Flügeln und einem langen flossenartigen Schweif. Vor ihm hingen die übrig gebliebenen Gewichte, und verzweifelt griff er nach den Seilen, an denen sie hingen.
Er zog sich daran hoch, aber er hing so verdreht, dass er nicht wieder auf seinen Platz zurückkriechen konnte.
»Smatra!«, brüllte er in den Wind. »Ich bring dich um, wenn ich zurückkomme!«
Seine Schreie verloren sich in der Nacht wie das Summen eines Insekts.
Fluchend zog Darnamur wieder ein Messer und durchtrennte einen Gurt an seinem Oberschenkel. Nun hielten ihn nur noch ein Lederband an seinem anderen Bein und die Hand, mit der er sich krampfhaft an das Trimmseil klammerte.
Langsam zog er sich hoch.
Keuchend lag er endlich wieder auf dem kleinen Holzgitter, das Smatra als Unterlage für ihn unter den Flügeln montiert hatte. Die Trimmgewichte brachten die Flugmaschine in die richtige Lage, und sie segelte in weiten Spiralen dem Boden entgegen.
Darnamur wollte sich wieder festgurten, aber seine Hände zitterten zu sehr. Er hatte ein weiteres Messer verloren. Egal . Er hatte noch genug.
Er fasste nach dem Bügel vor sich. Zaghaft rollte er nach rechts, dann nach links. Er zog an dem Bügel, stieß ihn von sich fort. Wie Smatra erklärt hatte, reagierte das Fluggerät darauf. Aber träge.
Darnamur warf weitere Gewichte ab, Bleikugeln, die ihm in seiner jetzigen Gestalt riesig groß vorkamen, die aber für die Bitaner unter ihm kaum mehr waren als Sandkörnchen. Schließlich reagierte das Fluggerät besser, und die Bleigewichte sorgten weiterhin dafür, dass es in der richtigen Lage blieb. Darnamur versuchte, es zu lenken. Er konnte die Nase senken und schneller werden oder die Nase hochstellen und bremsen.
Und er hoffte, dass er auch landen konnte.
Darnamur blieb nur diese eine Nacht und dieser eine Versuch, um sein Ziel zu erreichen. Es gab keinen Ort mehr, an den er sich zurückziehen konnte. Und nur, wenn er hier und heute die Bitaner aufhielt, konnte er als Held zurückkehren, seine Truppen zurückgewinnen und dann die Stadt. Es gab keine Alternative zum Erfolg. Heute Nacht wird der Feldherr dieses Heeres fallen, schwor er sich.
Wito saß in Darnamurs ehemaliger Schreibstube in der alten Kanzlei der Fei. Darnamur war vor ihm Vorsitzender des Rates gewesen, und Wito hatte ganz selbstverständlich seinen Arbeitsraum mit allen Papieren übernommen.
Audan und Magati saßen vor dem Schreibtisch auf zwei Stühlen, und Magati schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, Wito. Darnamurs Leute haben sich um sie gekümmert, als sie die Stadt verließ. Wir wissen nicht, wo sie hingegangen sind.«
»Aber ich habe gehört«, warf Audan ein, »Beuzabar hätte sie aus der Stadt gebracht.«
»Beuzabar?«, fragte Wito.
»Der Wirt vom Roten Drachen. Das ist die Schenke, wo
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