Der Tag der Messer: Roman (German Edition)
bei Bleidan zu tun.
»Tu es einfach.« Bleidan lächelte ihr beruhigend zu. »Wir müssen deine Essenz ja ein wenig herauslocken.«
Frafa konzentrierte sich. Es fiel ihr schwer. In Bleidans Gegenwart pochte ihr Herz. Sie spürte Bleidans Berührung noch immer an der Handfläche, selbst als sie ihre Hand ein winziges Stück zurückzog und ihn gar nicht mehr berührte.
Sie biss die Zähne zusammen und stellte sich vor, sie würde gegen seine Hand schlagen.
Etwas an ihrer Handfläche streckte sich, etwas Körperloses. Und stieß auf Widerstand. Der körperlose Teil ihrer selbst wurde umklammert, ein Stück mitgerissen, wieder zurückgestoßen. Frafa schnappte nach Luft.
Es hatte nur einen Augenblick gedauert, eine Berührung wie ein unsichtbarer Händedruck. Ein Zupfen tief in ihrem Leib. Es überlief sie heiß und kalt. Es fühlte sich an, als hätte Bleidan ihre Seele berührt.
Als Frafa die Augen wieder öffnete, sah sie Bleidans Lächeln. Sie hatte Schleier vor dem Blick. Ihre Knie waren weich, und ihr war, als müsse sie zusammensinken. Sie wollte zusammensinken.
»Das«, sagte Bleidan, »war deine magische Essenz. Du hast damit ausgegriffen, und ich habe sie ein wenig gepackt und zurückgeschoben, damit du selbst sie besser fühlen kannst. Sie umgibt deinen Leib wie eine Aura, aber du kannst sie ausschicken. Du kannst damit Magie wahrnehmen und Dinge bewirken. Übe es, sie gezielt zu formen. Das sollte Lektion genug sein für den heutigen Tag.«
Frafa seufzte erleichtert.
»Danke, Herr«, hauchte sie. »Ich … werde üben.«
»Es tut mir so leid.« Darnamur fasste die Hand der Gnomin und drückte sie. »Wito war mein Freund. Ich versichere Euch, die Verantwortlichen werden dafür bezahlen.«
Sie befanden sich in einer kühlen Kammer tief unter der Erde. Jemand hatte Bettstätten aufgestellt, mit strohgefüllten Matratzen, einem Tisch, wackligen Hockern. Ein kleiner eiserner Ofen bullerte in einer Ecke, der Qualm zog durch Ritzen hoch oben in der Decke ab. Einige beißende Schwaden hielten sich dennoch im Raum. Mehrere prall gefüllte Säcke standen in einer Reihe an der Wand – der gesamte Besitz von Witos Familie, soweit man ihn hatte bergen und hier unten in die Katakomben bringen können.
Witos Frau Cleuda saß auf einem der Hocker, ihr jüngster Sohn klammerte sich an sie. Er mochte etwa sieben Jahre alt sein, zu jung, um schon seine Größe ändern zu können. Drei weitere Kinder standen verlegen herum, die Älteste schon fast eine Frau. Darnamur war irritiert, weil er niemanden von ihnen kannte.
»Rache hätte Wito nicht gewollt«, sagte Cleuda leise. »Er würde wollen, dass sein Werk fortgesetzt wird.«
»Natürlich setzen wir sein Werk fort«, versicherte Darnamur ihr. »Aber die Fei hat sich für den Kampf entschieden, nicht wir.«
»Das ist wahr«, sagte ein alter Gnom, der hinter der Frau stand. Tröstend hielt er eine Hand auf Cleudas Schulter. Sein Haar war schlohweiß und wucherte in wilden Büscheln auf dem kantigen Kopf. Die große Nase verschwand beinahe zwischen den Falten in seinem Gesicht. »Sie hat alles verboten. Wir müssen uns wehren.« Er klang bedrückt.
Darnamur wandte sich zu Ganoch um. »Und wer ist das?«, flüsterte er. »Witos Großvater?«
»Ich höre noch sehr gut, junger Mann«, erwiderte der Alte scharf. »Ich bin Haro, der Schnitzer. Witos Nachbar.«
»Haro der Schnitter?« Dranjar meldete sich zu Wort. Er stand am Eingang und behielt den Tunnel im Auge. »Man sollte meinen, ich hätte von Euch gehört, wenn Ihr Euch so einen Namen erworben habt.«
Der alte Gnom runzelte die Stirn. »Der Schnitzer ! Ich schnitze Holz und Elfenbein. Filigrane Figuren. In meiner kleinen Gestalt kann ich feine Verstrebungen bearbeiten, die selbst Nachtalben beeindrucken.«
»Du meine Güte.« Dranjars Stimme klang abfällig. Er wandte sich wieder ab und blickte nach draußen.
»Hör zu, Junge!«, meinte Haro aufgebracht. »Ich habe einen Namen unter den besten Handwerkern der Stadt. Und ich bin Gründungsmitglied der Grünen Lande . Euch kennt man nur als Rabauken, die sämtliche Gnome zum Aufruhr anstiften wollen.«
»Bitte«, sagte Darnamur. »Wir wollen uns nicht streiten. Nicht hier, nicht jetzt. Ihr habt selbst gesagt, Ihr wollt kämpfen.«
»Ich will nicht kämpfen«, widersprach Haro. »Aber ich muss! Es widerstrebt mir zutiefst. Ich bin ein friedfertiger Gnom. Ich habe mich nicht einmal an dem albernen, aber gefährlichen Schabernack beteiligt, den viele Gnome so
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