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Der Tag der Messer: Roman (German Edition)

Der Tag der Messer: Roman (German Edition)

Titel: Der Tag der Messer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Lohmann
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wollten sie die Turmspitzen von Daugazburg küssen. Feiner Nieselregen stäubte in der Luft.
    Geliuna stand mit dem Rücken zum Fenster und machte sich hinten am Erker zu schaffen. Sie klappte einen Teil der Wand zur Seite. Eine enge Kammer lag dahinter. Darnamur reckte sich und verdrehte den Hals, um mehr zu sehen, doch der Winkel war zu ungünstig.
    Egal. Er wusste , was hier lagerte! Darnamur sprang von dem Kleid und schlich um die Fei herum.
    Geliuna stand vor einer Stele aus schwarzem Stein, glatt und schmucklos und glänzend. Sie reichte der Fei bis zur Brust und maß im Durchmesser ungefähr eine Armlänge. Geliuna holte etwas aus einer Nische an der Wand und hantierte oben auf der Stele. Ein metallisches Scharren erklang. Die Fei beugte sich wieder über den Stein, und Darnamur hörte sie zischende Laute sprechen. Dann legte sie einen kleinen Schlüssel wieder in der Wandnische ab.
    »Nein, wie lächerlich«, murmelte Geliuna. »Niemand außer mir öffnet diese Truhe.«
    Sie spielte mit einem Edelstein um ihren Hals. Er war rot und hatte an der obersten Kante einen schmalen, kristallklaren Bogen, wie eine helle Sichel, die sich um die verdunkelte Mondscheibe spannte.
    Geliuna verließ die Kammer und schloss die Geheimtür hinter sich.
    Darnamur nahm seine große Gestalt an.
    Die Stele war so hoch, dass Darnamur auch in seiner natürlichen Größe nicht daraufblicken konnte. Der Gnom griff um die Kante und zog sich empor. Ein zierliches Kästchen thronte auf dem Stein. Es war mit verschlungenen Ornamenten verziert, die an Ranken erinnerten. Leuchmadans Kästchen. Darnamur selbst hatte es gemeinsam mit Wito vor zwölf Jahren Geliuna überbracht: ein Behältnis aus Silber, das nicht zerstört werden konnte und in dem die ganze Lebenskraft der Grauen Lande gebunden war.
    Darnamurs Mundwinkel hoben sich.
    Schon Leuchmadan hatte sein magisches Herz in diesem Kästchen verwahrt. Tausend Jahre lang war es in den Händen seiner Feinde gewesen, doch sie hatten nichts dagegen ausrichten können. Natürlich vertraute Geliuna darauf, dass ihr eigenes Herz in diesem Behältnis auch vor ihren Feinden geschützt sein würde.
    Sie hatte nur eines vergessen: Darnamur wusste, wie sich das Kästchen öffnen ließ!
    Die Fei hatte den Schlüssel in eine Wandnische gelegt. Darnamur blickte dorthin, doch die Nische lag so hoch, dass er sie vom Boden aus nicht erreichen konnte. Und wenn er auf dem Steinblock stand und die Hand ausstreckte … Nein. Eine gefährliche Kletterei, und Darnamur hatte das Gefühl, dass seine Zeit knapp war.
    Geliuna hätte Schlüssel und Kästchen nicht am selben Ort aufbewahrt, ohne dafür zu sorgen, dass der wichtigste Bestandteil fehlte: das Blut der Erde. Und davon hatte Darnamur genug dabei, um das Kästchen auch ohne Schlüssel aufzubekommen.
    Er stellte sich ganz auf die Stele und zog ein fein geschnitztes Fläschchen aus Drachenbein aus einer Gürteltasche. Er betrachtete es nachdenklich. Fast hätte er erwartet, dass der Inhalt ein Loch hineinbrannte, aber Grautaz’ Knochen schimmerten so weiß wie frisches Elfenbein. Darnamurs besonderer Auftrag an die Zwerge vom Drachenberg hatte seinen Zweck erfüllt.
    Er schraubte den Hals des Fläschchens ab. Innen war es mit Wachs versiegelt. Vor zwölf Jahren, an der Quelle des Blutes, hatte Wito eine Kristallphiole mit dem Blut gefüllt, und Darnamur hatte sie eingesteckt. Alles, was von dem Blut geblieben war, befand sich nun in diesem Fläschchen aus Wachs und Knochen, zwei Stoffe von lebendigem Ursprung. Nur so konnte er es mitnehmen, wenn er die Größe änderte.
    Aber auch das Blut der Erde selbst musste lebendig sein, damit er es auf diese Weise befördern konnte. Dessen war Darnamur sich nicht sicher gewesen, ehe er es erprobt hatte. Was bedeutete das? War es im Wortsinne Leuchmadans Blut, was da bei der Sternenklippe aus dem Boden trat?
    Darnamur zuckte die Schultern. Sollten sich die Gelehrten darüber den Kopf zerbrechen. Er goss die rote ölige Flüssigkeit in das Schloss des Kästchens, verteilte sie an den Fugen und an den Stellen, hinter denen sich die Riegel des Schlosses verbergen mussten. Winzige Tröpfchen tanzten auf dem Silber wie Wasser auf einem heißen Ofen.
    Das Silber wurde weich.
    Darnamur nahm seinen langen Knochendolch und kratzte damit am Schloss herum. Das Silber gab nach, als wäre es selbst zu Wachs geworden. Mit der Klinge aus Drachenbein konnte er feine Späne herausschneiden.
    Darnamur stieß den Dolch in die Fuge und

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