Der Tag der Messer: Roman (German Edition)
geliebt habe.«
Magati schüttelte den Kopf. Audan versuchte, an Geliuna zu denken. Er musste zugeben, dass auch er etwas dabei empfand. War es Liebe oder war es Magie? Er wusste es nicht. Aber er konnte sich nicht vorstellen, dass die Schwarze Fei ihm oder seinen Freunden tatsächlich etwas Schlimmes antun konnte. Er wollte es sich nicht vorstellen.
Haro schaute seine Gefährten an. »Versteht ihr? Ich bin ein schlechterer Gnom als ihr alle. Ich bin schwächer als ihr. Wenn Geliuna zurückkehrt, würde ich euch verraten und alles, woran ich bis zu dieser Stunde geglaubt habe. Ich kann mich nicht gegen Geliuna auflehnen. Aber ich wäre imstande, euch zu retten, indem ich mich für euch opfere. Flieht und warnt alle anderen, damit sie sich vor dem Zorn der Schwarzen Fei in Sicherheit bringen.«
Audan wollte etwas sagen, aber seine Zunge gehorchte ihm nicht. Ein Teil von ihm, der vernünftigere Teil, begrüßte jede Möglichkeit zur Flucht. Doch seine Gefühle sträubten sich dagegen. Das Schlimmste daran war, dass Audan sich seiner Gefühle nicht sicher sein konnte. Sträubte er sich wirklich, weil er Haros Opfer nicht annehmen konnte, oder sträubte er sich, weil der Einfluss der Schwarzen Fei ihm seinen Kampfgeist und den Wunsch zur Flucht genommen hatte?
Die Fei hielt erschrocken inne, als sie Darnamur sah. Er stand auf dem Podest wie eine Statue, unmittelbar vor Geliunas Augen, und hielt ihr Herz in den Händen. Ihre Blicke kreuzten sich. Darnamurs Hand mit dem Dolch verharrte unschlüssig.
»Ich hatte es im Gefühl«, sagte die Fei. Ihre Lippen zitterten. Die Regung war kaum zu sehen, aber die Herrin der Grauen Lande hielt Darnamurs Blick wie in einem Bann gefangen. Er bemerkte jede Einzelheit. Ihre blasse Haut, das zart geschnittene Gesicht. Den seidigen Glanz auf den schwarzen Haaren. Das dunkle Schleiergewand, das wie leichter Rauch ihren Leib umschmeichelte und kaum die Formen verhüllte, die für Mensch und Alb und ähnliche Geschöpfe unzweifelhaft verführerisch wirkten.
Sie streckte die Hand aus.
»Gib mir das Herz«, sagte sie.
Darnamur zögerte.
»Du wirst mich nicht töten«, sagte die Fei. Ihre Stimme klang einschmeichelnd. Sie wob Darnamurs Gedanken ein, als könne er auf der Welt nichts anderes mehr hören. Er fühlte sich ein wenig an die machtvolle Wirkung der Drachenstimme erinnert, und bei diesem Gedanken trat ein Lächeln auf seine Lippen. In die Augen der Fei trat daraufhin ein Glitzern.
Von dem Moment an, da sie eingetreten war, hatte Geliuna seine Aufmerksamkeit auf sich gezogen wie ein leuchtender Stern. Oder wie ein einzigartig schwieriger Auftrag, der nur mit äußerster Konzentration zu meistern war. Sie weckte ein Gefühl in Darnamur, das er nicht recht einordnen konnte.
Dann tötete er sie. Er stieß die Klinge aus Drachenbein tief in das goldene Herz, zerfetzte Fäden und Röhrchen und hinterließ einen Riss in dem schimmernden Gebilde.
Die Fei schrie auf.
Die Hand, die sie Darnamur entgegenstreckte, zitterte. Schatten sammelten sich um ihre Finger. Zauber flossen von ihren Lippen. Die Luft in der Kammer wurde dick, und das Licht, das von außen hereinfiel, schwand.
Was auch immer die Fei im ersten Augenblick versucht haben mochte, nun besann sie sich auf andere Zauber.
Darnamur stach und hackte auf das Herz ein. Zweimal traf er dabei seine eigene Hand. Eine Wunde klaffte bis auf den Knochen, und Blut rann über die Fetzen des goldenen Artefakts. Sie flogen zu Boden und wurden verschluckt von der Finsternis, die die Fei heraufbeschwor.
Geliuna schrie wieder auf, lauter diesmal. Im Todeskampf riss sie die Hände empor. Dabei zog sie Schlieren von Dunkel hinter sich her, die alles zerfraßen, was sie berührten. Sie ließen Stein zu schwarzem Staub zerfallen und zogen tiefe Furchen in Wände und Podest.
Der Sockel stürzte um, und Darnamur rollte sich am Boden ab. Das Herz fiel ihm aus der Hand.
Eine finstere Fratze schoss auf ihn zu wie ein Schlangenkopf auf einem Leib aus Finsternis. Aber bevor sie Darnamur erreichte, wurde sie zurückgerissen.
Die Fei hatte die Hände vor das Gesicht geschlagen. Ihre Gestalt wurde durchscheinend. Darnamur sah das bleiche Antlitz durch ihre Finger hindurch. Es verschwamm vor seinen Augen.
Sonnenlicht fiel durch die Tür, durch den Leib der Fei.
Geliunas Körper zerfloss zu einer zähen Flüssigkeit, die als träge Welle durch die geheime Kammer schwappte.
Mit einem Fluch sprang Darnamur hoch, rettete sich auf die Bruchstücke des
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