Der Tag der Messer: Roman (German Edition)
brach die Truhe auf.
Einst hatte Leuchmadans Herz auf einem silbrig schimmernden Feld reinster Magie geruht. Nun lag ein Gebilde aus lauterstem Golde darin, auf einem schlichten Kissen aus schwarzem Samt.
Darnamur stellte das Kästchen vor sich hin und nahm das goldene Herz heraus. Es war größer als seine Faust und glich einem Klumpen, der aus lauter miteinander verschmolzenen Kugeln gebildet zu sein schien. Feine Röhrchen aus Gold entsprossen seinem Inneren wie Adern und verschwanden an anderer Stelle wieder darin.
Darnamur wog es in seiner Hand. Es war schwer, aber nicht so schwer, wie ein Goldklumpen dieser Größe sein sollte. Es musste also hohl sein … Würde Blut heraustropfen, wenn er es zerstörte? Darnamur hob den Dolch. Das Leben der Herrin lag in seiner Hand. Sollte es so einfach sein?
Da schwang die geheime Türe auf, und Geliuna kehrte zurück.
Die drei Gnome hielten erschöpft inne.
»Wir können das Glas nicht bewegen«, stellte Audan fest. »Es ist zu schwer für uns.«
Magati sagte nichts. Sie hatte sich einfach hingesetzt, den Rücken gegen die durchschimmernde Wand ihres Gefängnisses gelehnt.
»In unserer kleinen Gestalt können wir das nicht«, bemerkte Haro leise.
»Wir können uns aber auch nicht groß machen«, sagte Audan. »Das Glas ist zu hart. Wir würden daran zerschellen.«
»Vielleicht ginge es doch«, wandte Magati zaghaft ein. »Wenn wir beim Größerwerden die Arme ausstrecken und die Schale anheben?«
Audan schüttelte den Kopf. »Unsere Arme würden einfach brechen. Egal, wie wir uns groß machen, wir würden gegen die Wand stoßen, bevor wir zwei Handbreit gewachsen sind. Dann wären unsere Knochen noch viel dünner als das Glas.«
»Audan hat recht«, sagte Haro. »Aber überlegt einmal: Wenn wir aufrecht stehen, wachsen wir schneller nach oben als in die Breite. Wenn ich also mit dem Kopf oben gegen die Schale stoße, wäre unten noch genug Platz für euch. Mein Kopf würde zerschmettert, aber mein Leib wächst weiter und drückt die Schale nach oben. Ihr könntet entfliehen.«
»Kommt gar nicht in Frage!«, widersprach Magati entsetzt. »Wie kannst du an so was nur denken?«
»Außerdem«, sagte Audan, »könntest du uns mit deinem wachsenden Leib trotzdem zerquetschen.«
Haro senkte den Kopf. »Ich bin so nutzlos«, sagte er.
»Nein!« Magati sprang auf die Füße und trat auf den alten Gnom zu. »Wir sind alle keine Krieger. Wir wollten das hier nicht tun, aber wir haben unser Bestes versucht.«
»Und sind gescheitert«, befand Audan. Er legte verzweifelt die Hände auf das Glas, das er nur mit dem Blick durchdringen konnte. Die Herrin war fort, und eine Flucht schien so leicht zu sein, wenn sie nur aus diesem Gefängnis hinauskämen.
»Das ist nicht gesagt«, meinte Magati. »Ihr habt gesehen, wie aufgeregt Geliuna plötzlich war. Ich glaube, Darnamur ist hinter irgendwas Großem her. Uns hat er nur zur Ablenkung mitgenommen. Womöglich haben wir genau das geschafft, was er brauchte, um Erfolg zu haben.«
»Großartig«, sagte Audan matt. »Da bin ich aber froh, dass er uns eine Aufgabe gegeben hat, die wir auch bewältigen können.«
Haro schüttelte den Kopf. »Wie man es auch dreht und wendet: Ich bin nutzlos. Was auch immer Darnamurs Plan war oder wie unzulänglich wir alle auch sein mögen – ich bin nutzloser als ihr alle.«
»Was soll das?«, fragte Magati. »Wir sitzen alle im selben Glas. Außerdem, wenn Darnamur Erfolg hat, befreit er uns.«
»Ich habe Darnamur bei der ersten Gelegenheit verraten«, sagte Haro. »Ich habe der Fei alles erzählt.«
»Wir waren alle gebannt von ihr«, sagte Magati. »Es muss ein Zauber gewesen sein.«
»Aber du hast ihm besser widerstanden als ich«, erwiderte Haro. »Schlimmer noch, obwohl ich weiß, dass es ein Zauber ist, kann ich ihn nicht abschütteln! Verstehst du, Magati? Käme die Herrin zurück und ich stünde mit dem Dolch in der Hand vor ihr, dann könnte ich nicht zustoßen. Ich weiß es. Ich würde sie warnen, wenn ein anderer sie bedroht. Ich würde mich sogar aus dem Fenster stürzen, wenn sie mir sagt, dass mein Tod sie glücklich macht.«
Er ließ den Kopf sinken und starrte auf seine Füße. »Ich kann nichts dagegen tun. Ich weiß, was sie mir und euch und all meinen Freunden antun wird. Aber wenn ich bloß an sie denke, sehe ich gleich ihr Gesicht vor mir, und alles Wissen bedeutet nichts. Es ist wie ein Rausch, wie ein Traum. Ich liebe die Herrin mehr, als ich meine selige Gattin je
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