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Der Tag der roten Nase

Der Tag der roten Nase

Titel: Der Tag der roten Nase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikko Rimminen
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die Tür.

Ich blieb im Treppenhaus stehen und empfand, nachdem das Erschauern abgeflaut war, natürlich ein bisschen Erleichterung, aber auch sonst entlud sich so einiges: Enttäuschung, matter Zorn, Traurigkeit, Trostlosigkeit. Sogar ein Gefühl des Verstoßenseins. Aber da war ich auch schon beim nächsten Gedanken, nämlich dem, dass ich nun schon zum dritten Mal innerhalb kürzester Zeit in einem fremden Treppenhaus stand und eine geschlossene Tür anstarrte; es war viel passiert, was, um Himmels willen, war passiert, so etwas passiert, warum, wusste ich nicht. Aber was ich wusste, war, dass ich noch etwas haben wollte, etwas Besseres, Geglückteres, Gemütlicheres, irgendetwas, was auch immer, aber nicht das von eben.
    Guter Rat war teuer. Also begab ich mich wieder auf den Weg die Treppe hinunter, doch nach einigen Metern fühlte ich mich schwach und musste mich auf die Stufen setzen. Im wässrigen Licht schwebte Staub, von oben und von unten drang durch Türen gedämpftes Stampfen an meine Ohren. Ich saß da und dachte, dass in Treppenhäusern in der Regel ausschließlich Schüler und Randgänger der Gesellschaft saßen, und prompt fragte ich mich auch schon, ob ich auch schon sozusagen am Rand entlangging. Irgendwie kam ich mir verloren vor, ich wollte gleichzeitig nach Hause und nach Kerava, egal wohin, nur raus aus diesem Treppenhaus, aber dann wollte ich doch einfach nur sitzen bleiben.
    Ich blieb zwar nicht sitzen, ging aber auch nicht richtig weg.
    Mit ein paar großen Schritten war ich im nächsten Stockwerk, wohl das dritte, und wischelte mit dem Blick über die Klingelschilder. Auch hier gab es reichlich Bündnisbildung und Vereinstätigkeit, Kinder wurden unterstützt und Arbeitermütter und sogar der Hausmeister. Ich brauchte eine Weile, bis ich das mit dem Hausmeister verstanden hatte, ich war bereits so sehr an witzige Vereinsnamen gewöhnt, dass ich Hausmeister Virtanen zunächst für ein Produkt gut gelaunter Ironie hielt.
    Und im Grunde hatte ich in den paar läppischen Sekunden, die ich fürs Verstehen brauchte, eine Menge Dinge getan und erlebt: geklingelt, die Tür verwirrend schnell einen Spaltbreit aufgehen sehen, ihren Rand gepackt und sie ganz aufgerissen, mich an etwas Weichem, das nach Schweiß roch, vorbeigedrängt und die Tür hinter mir zugeschlagen. Da stand ich dann in einem engen, dunklen Flur, dessen Wände mit einer vor Muff strotzenden Textiltapete tapeziert waren und dessen Fußboden mit Gratiszeitungen und Pizzaschachteln, in denen hart gewordene Teigränder lagen, übersät war.
    Infolge des Sturmangriffs stand der Bewohner jetzt hinter mir, und so musste ich meinen Rumpf drehen und mich der unsinnigen Konstellation stellen, dass ich, der Eindringling, den Mann anstarrte, der seinerseits bereits die Türklinke ergriffen hatte und alles in allem ganz danach aussah, als habe er die Absicht, aus der Wohnung zu fliehen. Mein Eindringen schien ihn gründlich erschüttert zu haben, und auch wenn mir seine Verwirrung natürlich fast ein bisschen zu Herzen ging, so ermunterte sie mich auch in gewisser Weise, und dadurch bekamich meinen schon ziemlich baufällig gewordenen Zustand doch wieder in den Griff und trug mein Anliegen vor, wie es die Telefonverkäufer tun: schnell, plappernd und ohne den anderen zu Wort kommen zu lassen. Ein Gespräch kann dabei natürlich nicht zustande kommen, und das haben bestimmt beide Seiten schon oft bedauert.
    Als das Wesen dann auf meine Litanei nur mit »ach ja« und »na ja« reagierte, veranlasste mich das, von meinem gerade eben im Schnellverfahren errichteten Amtsturm herabzusteigen. Ich sagte: »Ich heiße Irma«, und streckte forsch die Hand aus. Er zögerte einen Augenblick, griff dann aber zu. Anfangs fühlte sich sein Greiforgan schlaff und irgendwie widerwillig an, aber nachdem es meine Hand ergriffen hatte, fing es an, wie wild zu zittern oder eine irgendwie besonders raffinierte Form von Betatschen auszuführen. Keine der beiden Deutungsmöglichkeiten wirkte so recht verlockend.
    Sie trafen sich und trennten sich zum Glück auch wieder, die Hände, aber der Mann sagte immer noch nichts, sondern schaute nur auf seine nackten Füße, an deren Zehen gelbe Nägel in alle Richtungen sprossen. Ich dachte, nun habe ich schon wieder einen Fehler gemacht. War ich zu schubsig? Übertrieben offiziell? Oder womöglich doch unnötig vertraulich? Oder hatte ich bloß undeutlich vor mich hin gemurmelt und nur atemlos geglaubt, Sortiertes

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