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Der Tag der roten Nase

Der Tag der roten Nase

Titel: Der Tag der roten Nase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikko Rimminen
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konnte nichts als glotzen. Auch sie schien ihrerseits kein Wort herauszubekommen, sie sah mich nur mit ihren furchtbaren, klein geweinten Augen an und schien zu zittern. Schließlich gelang es mir, in wahrscheinlich nach Sprachgenerator klingendem Tonfall das Wesentliche des schon Gesagten zu wiederholen und zu unterstreichen, dass es vielleicht gerade ungünstig wäre, dass es vielleicht besser wäre, wenn ich ein anderes Mal oder gar nicht mehr wiederkäme, was nicht besonders professionell klang, aber nun mal ausgesprochen wurde; unsinnigerweise gab ich als Nächstes von mir, man könne sich natürlich auch mit uns in Verbindung setzen und wühlte in der Handtasche nach einer Visitenkarte. Eine solche gab es nicht und auch sonst nichts Passendes, wenn man von ein paar zerknitterten Zetteln absah, auf denen wer weiß was für Quatsch stand. Ich raschelte trotzdem eine Zeitlang damit herum und stammelte dabei etwas Also-dann-Typisches und entschuldigte mich, was von Herzen kam, am liebsten hätte ich für alles Mögliche um Entschuldigung gebeten und für meine Existenz noch dazu, und da konnte ich am Ende nichts weiter tun, als die Arme auszubreiten, in die ausgelaugten Augen zu schauen und noch einmal um Entschuldigung zu bitten.
    »Also?«, fragte Frau Mäkilä mit gebrochener Stimme, als wäre sie jetzt erst an der Tür erschienen.
    »Also«, fing auch ich an, aber wieder folgten keine weiteren Wörter. Dann, nachdem ich bereits eine Weile Anlauf genommen hatte, kam es, o je, o Gott, warum nur, na, es kam jedenfalls heraus, eine Art schlechter Witz oder so, jedenfalls ein Klops, jenseits jeden Taktgefühls: »Wann wird er beerdigt?«
    Ich versuchte noch, die Wörter wieder einzusaugen, aber die einzige Folge dieser Maßnahme bestand darin, dass es mir die Zunge verknotete, dass die Lippen sich zur Tüte formten und dass die Wangen sich nach innen zogen. Wenn es irgend möglich gewesen wäre, hätte ich mich selbst aufgesaugt und dadurch von dem Grauen entfernt. Arja, so hieß sie wohl, falls ich mich richtig an das erinnerte, was Irja mir gesagt hatte, Arja also starrte mich nur bestürzt aus geschrumpften Augen an, die sicher nicht viel mehr sahen als brennende Tränen, und für kurze Zeit hatte es den Anschein, als wollte sie etwas vollkommen anderes sagen, quasi das Thema wechseln, etwas wie: Ganz schöner Schneeregen draußen, oder: Das Treppenhaus ist aber schlecht gefegt, oder: Was musste mir ausgerechnet der Blumenkohl anbrennen. Was den Blumenkohlschwelgeruch betraf, so wehte er mir beiderseits von Arja massiv und albtraumhaft entgegen, und es wirkte für einen Moment, als steckte in dem leer geschluchzten Menschen noch etwas Wunderkraft, um die Situation irgendwie anständig zum Abschluss zu bringen, da ich dazu nun einmal absolut nicht in der Lage war, aber dann schien sie doch ganz und gar zu erlöschen, driftete zunächst auf seelischer Ebene ab und fiel dann auch physisch in sich zusammen, worauf mir nichts anderes übrig blieb, als ihr zu Hilfe zu eilen, sie festzuhalten und wortreich um Entschuldigung zu bitten und sie zu tätscheln und sinnlos zu schütteln, als wäre sie voller Schmutz; und dann, plötzlich, ging in ihren Augen noch einmal das Licht an und sie sagte mit ganz klarer Stimme, sie wisse es nicht, und als ich endlich begriff, wovon sie sprach, war die Tür auch schon überraschend energisch zugeschlagen worden, direkt vor meiner Nase.
    »Kann unsere Firma irgendwie?«, rief ich noch durch den Briefschlitz, aber dann kamen mir mitten im Satz die Tränen, es war alles so hoffnungslos verfahren, mir schien, ich könne niemandem helfen, nur immer alles noch schlimmer machen, und so flüsterte ich dann bereits vollkommen hilflos der in jeder Hinsicht verschlossenen Tür das letzte Wort zu, »helfen«, und floh über die Treppe nach draußen in den Nachmittag, der sich inzwischen zu noch mehr Dunkelheit, Feuchtigkeit und Kälte verdichtet hatte.
    Ich rannte nur noch, rannte und wischte mir das Wasser aus den Augen und versuchte mich davon abzuhalten, mich an den Haaren zu ziehen und mir auf den blöden Kopf zu schlagen, der ein ums andere Mal solche Grauenhaftigkeiten produzierte; und dann saß ich auch schon im Auto und war gleich danach in der Innenstadt von Kerava und wenig später auf der Autobahn, wobei ich hauptsächlich auf den Straf- oder Reklamezettel schaute, der am Scheibenwischer flatterte, und Radio hörte, weil ich es beim Klettern über die Sitze aus Versehen angestellt

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