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Der Tag der roten Nase

Der Tag der roten Nase

Titel: Der Tag der roten Nase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikko Rimminen
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dass es aussah, als hätte sie der Erfinder der Schrift in seiner Erstbegeisterung zu Papier gebracht. Herzergreifend war es, sein jungenhaftes Bemühen.
    Als ich nach kurzem, von verstohlenem Lächeln geprägten Sitzen ging, blieb er an der Tür stehen und sah mir ein wenig wehmütig nach. Das wunderte mich nicht, er hatte sich für einen Moment wichtig fühlen dürfen, und wichtig war er tatsächlich gewesen; beim Gehen sagte ich ihm, ich würde bald wieder von mir hören lassen, und das meinte ich ganz ernst, er hatte eine Belohnung verdient, was auch immer es für eine sein mochte. Mir kam dabei der Gedanke, dass auch er ein Freund war, in gewisser Weise, ein wichtiger Mensch, wertvoll, einer, bei dem man sich dafür bedanken mochte, dass es ihn gab.
    Unter dem Eindruck solcher Überlegungen schaffte ich es über den Marktplatz, wobei ich ausrufezeichenhafte Atemwolken ausstieß und rotbackigen Menschen auswich, und als ich die andere Seite erreicht hatte, rief Irja an.
    Ich weiß nicht, warum, ob es nur mein Missmut und mein schlechtes Gewissen über die Belästigung der Frau Mäkilä war, aber als ich Irjas Namen im Telefonfensterchen sah, erschrak ich dermaßen, dass ich mich ohne Umstände meldete,Hallo, Hallo, Hallo bist du das Irma, Ja ich bin’s, Hier ist Irja hallo, Hallo Irja, Ich wollte nur mal anrufen, Entschuldige das hab ich jetzt nicht verstanden weil gerade eine Straßenbahn vorbeigefahren ist, Also ich wollte nur mal anrufen und mich bedanken wegen letztem Mal, Ja, Danke also, Nein ich danke dir, Ja, Das heißt wieso danke, Und Entschuldigung, Was ich noch fragen wollte: Hast du vor auf die Beerdigung zu gehen, Was ich, Ich dachte mir halt bloß ach das klingt jetzt irgendwie komisch, Wieso komisch, Ich dachte sozusagen als Unterstützung, Ja, Weil du da ja praktisch irgendwie mit reingeraten bist, Bin ich doch gar nicht, Und ob du das bist, Das heißt doch ich komme gerne, Ja, Es ist mir ein Vergnügen, Na das freut mich, Also natürlich ist es kein Vergnügen sondern furchtbar traurig aber, Aber, Doch ich komme.
    Während des Redens war ich bis an meine Haustür gelangt und sogar darüber hinaus, die Bucht dampfte und ich wahrscheinlich auch ein bisschen, das Gespräch hatte mich ins Schwitzen gebracht, ich war in keiner Weise darauf vorbereitet gewesen, und Irja schien auch ein bisschen verloren zu sein, aus welchem Grund auch immer, vermutlich war es nur die Trauer.
    »Okay«, sagte sie abschließend. »Bis dann.«
    »Bis dann«, sagte ich und das war es dann.
    Von plötzlicher guter Laune gepackt stieg ich die Treppe hinauf und musste das in meiner Wohnung dann natürlich büßen. Den Rest des Tages und den halben nächsten Tag hatte ich ein schlechtes Gewissen wegen allem, weil ich mir inmitten all der Trauer überhaupt so etwas wie gute Laune gestattet hatte; weil Irja mich so bereitwillig einlud, obwohl ich die ganze Zeit quasi geschwindelt hatte; weil ich unmittelbar vorIrjas Anruf mit Virtanen den Anruf bei Frau Mäkilä ausgeheckt hatte; sogar weil ich so abrupt und ohne Erklärung von Virtanen weggegangen war. Irgendwie hatte ich das Gefühl, als hätte ich mit den Herzensangelegenheiten und der Trauer von Menschen gespielt. Von Irja, Arja, Virtanen, von sonst wem. Von mir.
    So ging er dahin, der Tag, und beim Aufwachen war es keinen Deut besser. Über Nacht hatte ich das Fenster offen gelassen, beim Aufstehen hatte ich Schüttelfrost, und dann gleich Schüttelfrust, weil ich merkte, dass die Kältefaust den Basilikum erwürgt hatte. Aber dann kam er auch schon, plötzlich, der neue Samstag, der Morgen, kalt und klar, fast knackend, und es war Zeit, mir schwarze Kleidung anzuziehen und mich in Bewegung zu setzen.
    Damit begann der Schlussakt, ich weiß nicht, warum ich ihn überhaupt als solchen bezeichnen musste, auf jeden Fall trippelte ich schnell zum Auto, ich hatte es beim letzten Mal am Markt stehen lassen müssen, weil nirgends sonst Platz gewesen war, mein Rock war eng und hinderte mich, die leichten Schuhe halfen beim Vorwärtskommen auch nicht, es fiel dünner Schnee, obwohl der Himmel klar und kaum wahrnehmbar blau war, er kam wohl von anderswo her, der Schnee, vom Meer, aus dem Binnenland, woher auch immer, und wirkte richtig verloren, wie er so langsam im matten Wind flockte und es für seine Existenz in dem Moment keinerlei Begründung zu geben schien. Dieser leicht traurige Schleier bildete den Rahmen für meinen außergewöhnlichen Aufbruch. Menschen kamen mir

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