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Der Tag ist hell, ich schreibe dir

Der Tag ist hell, ich schreibe dir

Titel: Der Tag ist hell, ich schreibe dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Langer
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an und er mich. Er wollte doch nicht etwa das Bild zerstören, das ich von ihm hatte? » Weltmacht« war ein Wort, über dessen Innenwände die schrecklichen Filme flackerten, die wir über die Nazis gesehen hatten.
    In diesem Augenblick tauchte Klaus mit unseren Mänteln neben mir auf und sagte, Frau Riemann-Riekermann-Schmitt würde am Ausgang auf uns warten, und wir müssten nun avanti aber mal los.
    » Ach«, machte ich enttäuscht und sah den schönen Bankier an. Es ging mir alles viel zu schnell. Schon machte er einen Schritt auf Klaus zu, sagte, » es war ganz reizend, Sie beide kennenzulernen«, und schon griff er Klaus’ Hand und schüttelte sie, und schon drehte er sich zu mir und griff nach meiner Hand und sagte: » Schreiben Sie mir! Ich will alles wissen, was Sie denken! Und kommen Sie mich besuchen!«
    Ich sah von Ferne Gesichter und Lichter. Sie verschwammen. Er beugte sich zu meiner Hand, die er mit seiner immer noch festhielt und die sich warm und trocken anfühlte, und ich roch ihn für einen Moment, sein Aftershave und etwas Unbekanntes, das er selber war, und er küsste meine Hand, und zwar nicht in der Luft, sondern direkt, wenn auch ganz zart. Dann richtete er sich auf und drückte sie kräftig.
    » Sie müssen mir schreiben«, sagte er und sah mich ernsthaft an, » ich bitte Sie, ganz dringend.«
    » Aber wohin?«, fragte ich, schon im Gehen.
    Und er rief mir die Adresse zu. Über alle Köpfe hinweg.
    2
    » Und daraus sind so viele Briefe geworden?«, fragte Jonathan Kepler. » Es ist ja nicht zu fassen. Zeigen Sie mal«, er deutete auf das Päckchen auf dem Tisch, » sind da die ersten vielleicht mit dabei? Sind das alle, oder gab es noch mehr?«
    Ich nahm den von den zwei Wollfäden fest zusammengehaltenen Stapel in die Hand. Mein Blick fiel auf die unterschiedlich großen Umschläge, die alle ordentlich aufgeschlitzt worden waren. An den Rändern lugte bei einigen das feine Papier hervor, mit dem sie gefüttert waren, andere waren einfacher, dafür aber dicker, blau, grün oder rosa. Ich sah meine ausholende, verschlungene Schrift von damals auf dem obersten Brief und neben der Adresse der Bank, in einem fett umrandeten Kasten, das Wörtchen persönlich!, das hattest du mir am Telefon, nachdem du den ersten Brief bekommen hattest, so gesagt. Ich zögerte. Ich sah Jonathan Kepler bittend an.
    » Ich weiß nicht«, sagte ich, » ich habe sie so lange nicht in der Hand gehabt. Nein, das sind nicht alle. Es waren viel mehr. Das sind die … also … ich … ich würde sie mir gern erst einmal allein ansehen, nicht jetzt.«
    » Na ja, gut, das kann ich verstehen. Also erzählen Sie mal, so aus dem Kopf, was Sie damals geschrieben haben.«
    Ich musste nicht lange nachdenken.
    Lieber Herr,
    es war sehr nett, Sie kennenzulernen. Ich würde Ihnen auch gern schreiben, aber ich weiß gar nicht, ob Sie es wirklich ernst gemeint haben. Sie haben für mich doch bestimmt gar keine Zeit und haben es nur so dahingesagt, dass ich Ihnen schreiben soll und Sie besuchen …
    schrieb ich, gleich am nächsten Tag, im Februar 1982. Ich schrieb ihm meinen ersten Brief. Mit einem gewissen Trotz. Wenn er vertrocknet reagiert, dachte ich, hab ich gar keine Lust, ihn näher kennenzulernen. Ich interessiere mich für den Menschen und nicht für seine Funktion. Etwas an seiner Funktion machte mich wütend. Ich habe nichts gegen intellektuelle Gespräche, aber ich lass mich nicht in die Knie zwingen, knurrte ich, nur weil er ein wichtiger Banker ist und als mächtiger Mann im Lande gilt. Ich durchforstete alle Zeitungen, die ich noch zu Hause hatte, nach Artikeln über seine Bank und die Firmen, mit denen er zu tun hatte oder in deren Vorständen er saß.
    Zwei Tage später rief er an, im Restaurant, und Mama, die in der Bar ans Telefon gegangen war, kam ganz blass in die Küche und sagte: » Du, da ist der Herr Turnseck dran, der will dich sprechen!«, fassungslos, was denn dieser wichtige Mann wohl von ihrer vegetarisch agitierenden Tochter wollen könnte. Ich wischte mir die Hände am Küchentuch ab, mit dem ich gerade Gläser polierte, ging in die Bar zum Telefon, drehte mich mit dem Rücken zum Clubraum und nahm den Hörer. Meine Knie zitterten.
    » Ich bin gar nicht so, wie Sie denken!«, rief er vergnügt in den Hörer. » Und damit Sie mir glauben, möchte ich Sie ganz bald zum Essen einladen! Wie wär’s mit nächster Woche? Die nächsten Tage bin ich im Ausland, aber am Dienstag bin ich in Frankfurt. Könnten

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