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Der Tag ist hell, ich schreibe dir

Der Tag ist hell, ich schreibe dir

Titel: Der Tag ist hell, ich schreibe dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Langer
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eins zum anderen.«
    » Aha«, brummte Helen, die sich wunderte, dass sie so positiv berichtet haben sollte. Stirnrunzelnd hörte sie zu.
    » Ich habe dann zwei längere Telefonate mit Professor Weberknecht geführt, und dabei haben wir auch über Sie gesprochen.«
    » Ach so. Aha. Warum haben Sie mir das nie gesagt? Sie wissen doch, wie sehr ich Vitamin B hasse«, sagte Helen schließlich. Mit einem Mal war sie entsetzlich müde und wollte nur noch mit Antje-Doreen irgendwo im Biergarten sitzen und herumalbern. Die ganze Sache hatte überhaupt nichts mehr mit ihr zu tun. Sie kam sich vor wie Pygmalion, an der herumzukneten offenbar alle Lust hatten.
    » Hören Sie, Helen«, sagte Julius Turnseck nun etwas ernsthafter, » Sie sind eine so gescheite Person, Sie wären doch ohnehin mitgekommen!«
    » Das wäre auch viel besser gewesen!«
    » Es tut mir leid, dass es so gelaufen ist. Wie kann ich es wieder gutmachen?«
    » Ich weiß es nicht«, grummelte Helen. Sie stieß unwillig mit dem Fuß gegen ihr Bücherregal. » Irgendwie finde ich jetzt alles vermasselt.«
    » Darf ich Sie nächste Woche zum Essen einladen? In ein Restaurant, in das Sie gern gehen möchten? Und wir räumen den Ärger wieder aus dem Weg?«
    Helen konnte Julius Turnseck nie lange böse sein.
    Schließlich und endlich, als einige Wochen später die Tagung stattfand, nach der großen Aufregung, die seine Anwesenheit betraf, nach neugierigen Fragen und Anspielungen von Herrn Dr. Sedlitzky, die Helen zu überhören sich entschied, waren es zu guter Letzt wichtige Geschäfte in und mit Kanada, die Julius Turnsecks Teilnahme am gesamten Kongress verhinderten, was er Helen zwei Tage vor Beginn mit tiefem Bedauern am Telefon mitteilte.
    » Ich hatte mich so gefreut«, sagte er, » zwei Abende mit Ihnen zu verbringen. Aber ich komme am zweiten Tag, dann haben wir wenigstens einen!«
    » Und alle werden sich um Sie reißen! Ich werde überhaupt nichts von Ihnen haben!«, schmollte Helen. Sie hatte gar keine Lust mehr, zu dieser Tagung zu reisen.
    » Ich komme doch am zweiten Tag«, tröstete er sie.
    Am späten Abend des ersten Tags, Helen hatte schon ihren Pyjama an und putzte sich gerade im Bad die Zähne, klingelte das Telefon in ihrem Hotelzimmer. Schnell spuckte sie aus und sprang zum Apparat, der neben dem Bett stand. Julius Turnseck meldete sich mit unüberhörbarem Ärger in der Stimme.
    » Liebste Helen, ich sitze hier fest und ich muss Ihnen leider sagen, dass ich überhaupt nicht kommen kann.«
    » Überhaupt nicht?«
    Helen ließ sich auf das Bett plumpsen und schwieg perplex in das Rauschen der Leitung hinein.
    » Überhaupt nicht.«
    » Gar nicht?«, wiederholte sie ungläubig. So wenig war er also Herr seiner Zeit? Eine reißende Empfindung schoss von ihrer Wirbelsäule hoch in ihren Hinterkopf. Sie spürte Tränen aufsteigen. Julius Turnseck wusste nicht recht, wie er sie trösten sollte. Sie war außer sich. Er klang zerknirscht, als könne er ein Versprechen nicht halten, obwohl er offenkundig nichts dafür konnte. Schließlich bat er Helen, deren kindliche Enttäuschung sich ungeniert in das unpersönliche Hotelzimmer und den Hörer hinein entlud und auswuchs, von einem unüberhörbaren Schniefen begleitet, ihm alles haarklein zu schildern, worüber am Tage gesprochen worden sei, wer welche Positionen vertreten habe und wer sich mit wem gestritten habe und mit wem Helen überhaupt so lange in der Hotelbar gesessen habe oder womöglich auf dem Zimmer, denn sie sei ja die ganze Zeit nicht ans Telefon gegangen. Helen brauchte einen Augenblick und einen Schluck Wasser, bevor sie halbwegs antworten konnte. Sie erklärte mit belegter, dann krächzig dünner Stimme, dass sie den Abend in der Hotelbar mit zwei einsamen Philosophen verbracht habe, die, aus England und Frankreich kommend, ein wenig von der Last hatten ausruhen wollen, die Tagung auf Deutsch verfolgen zu müssen, und sich nun von ihr die eine oder andere Detailfrage übersetzen hatten lassen. Auch ein italienischer Kulturtheoretiker habe sich dazugesellt, und nach einigen Gläsern Whisky wären die Herren äußerst redelustig geworden. Sie wisse nun einiges über ihre Familienverhältnisse, Forschungsthemen und Verträge mit den jeweiligen Instituten in Turin, London und Wien. Er könne sie nach allem fragen. Einige Herren seien einer beruflichen Neuorientierung gegenüber nicht abgeneigt, wenn er darauf hinaus wolle, und das wolle er doch bestimmt.
    Helen fühlte sich von der Woge

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