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Der Tag mit Tiger - Roman

Der Tag mit Tiger - Roman

Titel: Der Tag mit Tiger - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Abendessen zusammenzustellen. Neben der Pfanne lag daher ein blutiges Steak, das er jedoch ignorierte. Stattdessen holte er eine dicke Scheibe gekochten Schinken aus dem Kühlschank. Während er sie in Würfel schnitt, erinnerte Anne sich an eine kleine Episode in der Metzgerei. Dort hatte sie nämlich einmal mitbekommen, wie er eine Scheibe »Tigerschinken« verlangt hatte. Die Fleischverkäuferin hatte ihn verständnislos angesehen, aber gleich darauf grinsend seine Erklärung akzeptiert, der Schinken sei für einen Stubentiger und nicht von einem Tiger.
    Obwohl alle drei Katzen schon eine kleine Mahlzeit eingenommen hatten, gebot es die Höflichkeit, die gewürfelten Schinkenscheiben zu probieren. Anne hatte nach drei Häppchen genug und nutzte die Zeit, um einen kleinen neugierigen Rundgang durch die Wohnung zu machen, während Christian in der Küche das Fleisch briet.
    Das Wohnzimmer entsprach ihrem Geschmack. Es war durch das bodentiefe Balkonfenster vermutlich tagsüber sonnig, die schlichten dunklen Ledermöbel setzten einen angenehmen Akzent zu dem hellen Teppichboden, der zu einem großen Teil mit einem flauschigen Berber bedeckt war. Darüber zu gehen bescherte ihr ein wunderschönes, kitzeliges Gefühl unter den Pfoten. An der einen Wand stand ein gut gefülltes Bücherregal. Anne drehte die Ohren nach hinten, und mit einem intensiven Lauschen in Richtung Küche versicherte sie sich, dass von dort keine Gefahr drohte. Dann sprang sie auf das erste Regalbrett, um sich über den literarischen Geschmack des Bewohners zu informieren. Sie war in der Krimi-Abteilung gelandet, die die gängigen Taschenbücher beinhaltete, klettertedann zu gehobener Science Fiction hoch und warf dabei einen Band von Lem zu Boden. Dann fand sie ein paar zerlesene Klassiker wortreicher Erzähler aus dem letzten Jahrhundert und in einer dunkleren Ecke verschämt einige erotische Romane. Den Abstieg wählte sie über Fachzeitschriften und gebundene Veröffentlichungen technischen Inhaltes, darunter auch einige, auf denen der Name C. Braun prangte.
    Wieder am Boden angelangt, setzte Anne ihren Rundgang in Richtung Hi-Fi-Anlage fort, um sich über die vorhandenen CDs zu informieren. Mit Bedauern erkannte sie, dass diese an einer sehr ungünstigen Stelle standen. Nur mit dem Risiko, zwischen drei Topfpflanzen springen zu müssen, würde sie dorthin gelangen. Ihrer Sprungkraft traute sie das zwar schon zu, doch die Landegenauigkeit ließ noch etwas zu wünschen übrig. Also nahm sie die eine offene Tür in Angriff, um den Raum dahinter zu inspizieren.
    Er erwies sich als ein Arbeitszimmer von nüchterner Einrichtung mit einem großen, papierübersäten Schreibtisch, einem Laptop mit Drucker, einem Regal mit Ordnern und einem großen runden Korb mit einer schottisch karierten Decke darin, die eindeutig nach Nina roch. Leicht in sich hineinlächelnd zog Anne sich zurück.
    Im Wohnzimmer prüfte sie noch mal die andere Tür, die vermutlich zum Eingangsbereich führte, fand sie aber verschlossen und wollte sie auch nicht öffnen. Die Geräusche aus der Küche zeigten ihr zudem an, dass Christian sich zu Tisch gesetzt hatte, und sie beschloss, ihm ein wenig Gesellschaft zu leisten. Sie schlüpfte in die Küche zurück, ging auf die kleine Essecke mit dem Bistro-Tischchen zu, setzte sich manierlich auf einen Küchenstuhl und beobachtete ihn beim Essen.
    »Du hast ansprechende Manieren, Kleine«, lobte ihr Gastgeber sie.
    »Du auch«, dachte Anne. »Und nicht nur am Tisch. Eigentlich hätte ich ganz gerne noch ein paar Streicheleinheiten. Statt Futter zum Beispiel.« Sie unterdrückte vornehm ein kleines Aufstoßen, das aus ihrem noch immer etwas unruhigen Magen entweichen wollte, und nahm ihren Tischnachbarn unauffällig in Augenschein. Er hatte sich feierabendlich gewandet, denn statt der korrekten Bürokleidung, in der sie ihm bisher begegnet war, hatte er jetzt ein knallrotes T-Shirt an, das in eine grau-rot gemusterte kurze Hose gesteckt war. An seinen Füßen trug er Espandrilles mit einem Loch über dem rechten großen Zeh. Sie bewunderte seine kräftigen Waden und glitt mit dem Blick höher. Unter dem T-Shirt zeichneten sich ein flacher Bauch und ein durchtrainierter Oberkörper ab. Unbewusst zuckte ihre Zunge über ihre Lippen. Für einen Schreibtischmenschen hatte er eine ganz ordentliche Muskulatur ausgebildet, aber die goldenen Härchen auf den Armen würden bald dichter sein, als die auf dem Kopf. Sie lichteten sich schon ein

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