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Der Tag mit Tiger - Roman

Der Tag mit Tiger - Roman

Titel: Der Tag mit Tiger - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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aufgeschlossen waren und Menschen, die ihren beschränkten Vorstellungen nicht entsprachen, mit herablassender Verachtung begegneten, waren diese Erfahrungen auch nicht immer angenehm.
    Dick empfand die Tatsache, dass einer seiner Vorgesetzten ein Ausländer war, als persönliche Beleidigung. Denn ausgerechnet der verdiente mehr Geld als er und durfte ihm auch noch Anweisungen erteilen.
    »Der Alte von den beiden Gören ist doch auch ’n großes Tier bei euch auf der Arbeit«, forschte Erni nach.
    »Klar, bei uns kann sogar ’n Schwarzer was werden.« Dick dachte kurz über sein Elend nach und kam dann zu dem ermutigenden Schluss: »Wenn diese ganzen Affen aus Deutschland raus wären, könnt ich auch ’n Haufen Kohle machen.«
    »Vergiss es, da kommen immer noch mehr nach, und für uns bleibt dann nur noch die Müllabfuhr.«
    »Ja, pass nur auf. Irgendwann sind wir nur noch da, um diesen Stinkern den Dreck wegzumachen.«
    Mit zunehmender Phantasie wuchs der Hass und gipfelte in der Bemerkung von Alf, dass sie es sich selbst zuzuschreiben hatten, was da mit den Asylantenheimen passierte.
    »Ausräuchern!«
    Danach versanken die vier Helden in Schweigen und trösteten sich mit einem weiteren Sechserpack Bier.

Anne und Nina
    Anne war, nachdem die Kinder am Bach verschwunden waren, langsam den Weg hoch gelaufen und hatte Eddy und Joanna bei Alf und seinen Freunden beobachtet. Dabei musste sie sich mit einem gewaltigen Satz in die Büsche vor den davonrasenden Mazinde-Geschwistern in Sicherheit bringen. Um das durch die Ranken zerzauste Fell wieder in ansehnliche Form zu bringen, setzte sie sich anschließend auf die noch sonnenwarmen Steine und bürstete sich. Dabei wurde sie unfreiwillig Zeugin der hässlichen Unterhaltung über Ausländer.
    Um nicht in das Blickfeld der Bande zu kommen, schlich sie bald durch das hohe Gras fort und machte sich auf die Suche nach Tiger und Nina. Sie fand beide problemlos, denn Gehör und Geruchsinn hatte sie jetzt im Einsatz geübt.
    Tiger tobte herum.
    Nina schaute ihm gelassen zu, und als sie Anne entdeckte, meinte sie nur: »Der hat heute noch nicht genug Aufregung gehabt. Jetzt muss er mit der Maus tanzen.« Sie kicherte. »Manchmal ist er noch richtig kleinkätzisch.«
    »Lass ihn das aber um Himmels willen nicht hören«, flüsterte Anne verschwörerisch.
    »O nein, bestimmt nicht«, versicherte Nina.
    Anne fragte sie dann höflich: »Und wie war deine Jagd?«
    »Nichts Besonderes. Es war ja nur des Reizes wegen. Ich bin so satt.«
    Sprach’s, fiel auf die Seite und reckte sich im Gras, so dass sie von Krallenspitze bis Schwanzspitze fast einen Meter lang wurde. »Und du?«, erkundigte sie sich dabei.
    »Ich habe ein paar üble Gesellen belauscht.«
    »Mensch oder Tier?«
    »So übel kann kein Tier sein«, fauchte Anne in Erinnerung an ihre Erfahrung mit den Halbstarken und erzählte Nina von dem Zwischenfall mit den Mazinde-Kindern.
    Nina lauschte mit wachsender Empörung im Blick. »Fiese Jungs, die vier. Tiger hat mir von der Katzenpfote erzählt.«
    Inzwischen hatte sich Tiger genug mit seinem Spielzeug amüsiert und ließ die verschreckte Maus laufen. Er setzte seine Begleiterinnen davon in Kenntnis, dass er sich jetzt zu einem wohlverdienten Schlaf zurückziehen würde.
    »Ich bin nicht müde, Tiger, ich möchte mich lieber noch ein bisschen unterhalten«, wagte Anne einzuwenden.
    Seine Antwort war ein so herzzerreißendes Gähnen, dass sie befürchtete, er würde sich gleich den Kiefer ausrenken. Beeindruckt musterte sie seinen zartrosa Gaumen und stimmte ihm dann überzeugt zu: »Gut, dann nicht.«
    Nina hatte sich inzwischen wieder zu ihrer normalen Größe zusammengezogen und schlug Anne vor, stattdessen mit ihr zu plaudern.
    »Das wäre fein, Nina. Bist du auch nicht zu müde?«
    »Nein, nein. Ich halte ganz gerne mal ein Schwätzchen«, beruhigte sie Nina.
    Sie entfernten sich beide ein wenig von dem Platz, den Tiger für seine Ruhepause ausgewählt hatte, und setztensich, die Pfoten zierlich gekreuzt, gemütlich in das weiche Gras.
    Anne traute sich erst nicht recht, das Gespräch zu eröffnen, obwohl sie Nina gerne einige Fragen über ihre Herkunft und ihr Leben bei Christian gestellt hätte. Doch sie befürchtete, dieses Thema könne Anlass zu Rückfragen über ihre eigene Vergangenheit geben – und die war sie nicht gewillt zu beantworten. Nina war jedoch nicht nur eine Edelkatze vom Aussehen, sondern war auch von dem vornehmen Takt und der Feinfühligkeit

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