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Der Tag mit Tiger - Roman

Der Tag mit Tiger - Roman

Titel: Der Tag mit Tiger - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Restaurants in Erinnerung. Sie bewegte sich näher an den Rand des Sees und hob eine Pfote, um sie versuchsweise ins Wasser zu tauchen. Es war genau so unangenehm kalt und nass wie am Morgen, als sie ihren Schwanz gebadet hatte. Schnell zog sie die Pfote zurück, schüttelte sie und konstatierte, dass sie wirklich schon ziemlich kätzisch in ihren Angewohnheiten geworden war.
    Sie seufzte, und zum zweiten Mal an diesem Tag beschlich sie die Frage, wie denn wohl ihre Zukunft aussehen würde. Doch bevor sie sich auch nur annähernd mit dem Problem beschäftigen konnte, erregte ein Ausruf von Eddy ihr Interesse.
    »Seht mal! Ich habe eine Jacke gefunden.«
    Der Junge hatte den grünen Blouson aus dem Gebüsch geklaubt, wohin ihn am Morgen Tiger gezerrt hatte, nachdem er ihn mit seinen Krallen bearbeitet hatte.
    »Lass die Jacke doch liegen! Die ist schmutzig und zerfetzt.«
    »Ja, die hat sicher wer weggeworfen, so wie die aussieht.«
    »Ach nein, die gehört bestimmt jemanden. Wir legen sie auf dem Rückweg auf die Bank. Da wird sie schon gefunden.«
    »Eddy, es wird schon dunkel. Wir sollten nach Hause fahren«, erinnerte Joanna ihre Freunde. Auch die anderen stimmten ihr zu. So löste sich die Gruppe auf; die Fahrräder wurden aus den Büschen geholt, und die Kinder eilten in alle Richtungen auseinander.
    Eddy hatte sich die grüne Bomberjacke malerisch um die Schultern drapiert. Sie war ihm um einiges zu groß, und an den Ärmeln, die das bevorzugte Ziel von Tigers Krallen gewesen waren, hing das weiße Steppfutter heraus.
    Der Zufall wollte es, dass sich gerade, als die beiden Kinder auf dem Weg zur Sitzbank waren, dort Alf, Erni, Stone und Dick mit ein paar Dosen Bier niedergelassen hatten.
    Als sie die beiden entdeckten, schrie Alf auf: »Hey, das ist meine Jacke. Die such ich schon seit gestern Abend.«
    Die drei anderen wandten ihre Köpfe zu den Kindern hin.
    »Die hat dir dieser dreckige kleine Nigger geklaut«, stellte Stone empört fest. »Da müssen wir was unternehmen.«
    Er und Alf erhoben sich und gingen auf den Jungen zu.
    »Hey, du stinkender Kanake, gib sofort die Jacke her!«, fuhr Alf ihn an und wollte sie Eddy von den Schultern reißen.
    »Schau, was dieses Ungeziefer damit angerichtet hat!« Stone machte seinen Freund mit einem hämischen Grinsen auf den zerrissenen Ärmel aufmerksam.
    »Nicht nur geklaut, du kleines Schwein, nein, kaputtgemacht hast du sie auch noch!«, brüllte Alf daraufhin den verängstigten Eddy an.
    Eddy und Joanna waren vor Schreck völlig sprachlos. Sie sahen die vier großen, kräftigen jungen Männer entsetzt an. Endlich fand Joanna die Sprache wieder und stammelte, alle Grammatik vergessend: »Wir die gefunden, unten am Bach. Wir nix kaputtmachen. Entschuldigung.«
    »Wie die schwarze Schlampe lügen kann«, erklärte Stone mit wissendem Nicken seinem Freund. »Die beiden nehmen wir uns vor.«
    »Nein, meine Schwester lügt nicht! Hier ist Ihre Jacke! Wir wollten sie nur hier hinlegen«, versuchte jetzt Eddy sich zu rechtfertigen.
    »Dein schmutziges Maul wirst du gleich halten, Niggerbengel.«
    Drohend kamen die beiden auf die Geschwister zu.
    Geistesgegenwärtig schleuderte Eddy die Jacke Alf ins Gesicht und schrie Joanna an: »Schnell, weg!«
    Die beiden Kinder waren flink. Der kurze Moment der Verblüffung reichte ihnen, um auf ihren Fahrrädern die Flucht zu ergreifen. In halsbrecherischer Geschwindigkeit radelten sie den Weg zurück, um über den Umweg durch das Dorf nach Hause zu gelangen.
    »Scheißausländer!«, brüllte Alf in ohnmächtiger Wut hinter den beiden her und hob seine staubige, zerrissene Jacke auf. Er griff in die Tasche und fluchte: »Und meine Katzenpfote ist auch weg. Wenn ich die erwische!«
    »Überall haste Ärger mit den Kanaken, sogar hier schon«, trug Dick zur Unterhaltung bei. »Auf der Arbeit sind die schon lästig genug, jeden morgen wirste mit den Knoblauchstinkern in der U-Bahn zusammengedrückt. Die stehen neben dir am Fließband und palavern die ganze Zeit in ihremKauderwelsch rum, und wenn du sie ansprichst: Nix verstehen Deutsch.«
    Er nahm einen tiefen Schluck aus seiner Bierdose, rülpste und schloss damit seine Rede stilgerecht.
    Das begonnene Thema erwies sich als ergiebig. Sowohl die zwei Brüder als auch Stone hatten an ihren Arbeitsplätzen und bei ihren gelegentlichen Streifzügen durch die Kneipen der Großstadt ausreichend Erfahrung mit Ausländern gesammelt. Da jedoch allesamt gegenüber Fremden nicht sonderlich

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