Der Tag wird kommen
Programm funktionierte nicht richtig. Aber ich habe das zugrunde liegende Prinzip verstanden, und ich hatte eine Idee, wie es vielleicht gehen könnte.
Hans Petter:
Und du hast es geschafft.
Fera:
Offenbar, mein lieber Delfin.
Hans Petter:
Und jetzt bist du der große Star, oder was? In der Zukunft? Das Supertalent, das Kontakt zur Vergangenheit aufgenommen hat?
Fera:
Nein. Ich habe niemandem davon erzählt. Ich weiß nicht genau, wieso, aber der Rat mag es nicht, wenn man sich zu sehr mit der Vergangenheit auseinandersetzt. Ich hatte Angst, sie würden mir nicht erlauben, mit dem Programm zu arbeiten. Dass sie sagen, es sei Zeitverschwendung. Also habe ich es heimlich getan. Ich wollte so gern herausfinden, wie es früher war. Vor der Katastrophe. Wie die Welt ausgesehen hat. Wie ihr gedacht habt. Ich war so froh, als es endlich klappte. Als du mir geantwortet hast.
Hans Petter:
Der Rat? Die Katastrophe? Erzähl! Wieso hast du ausgerechnet mich angechattet?
Fera:
Ich brauchte einen Namen. Wir wissen nicht sehr viel über die Vergangenheit, aber ich fand eine Liste, auf der dein Name stand.
Hans Petter:
Und der von Andreas?
Fera:
Genau. Deshalb dachte ich, dass ihr euch vielleicht kennt.
Hans Petter:
Aber wieso sprechen wir dieselbe Sprache? Sprecht ihr Norwegisch in der Zukunft?
Fera:
So etwas Ähnliches, ja. Aber ich habe außerdem ein Übersetzungsprogramm. Ich habe es selber angepasst.
Hans Petter:
In welchem Jahr lebst du? Und was ist das für eine Katastrophe, von der du sprichst?
Fera:
Erst noch was anderes: Mit dir zu chatten, kostet viel Energie. Mein Kontingent ist schnell verbraucht. Deshalb muss ich immer so abrupt Schluss machen. Aber wie du gemerkt hast, habe ich herausgefunden, wie ich dir auf einem anderen Weg schreiben kann. Ich werde dir alles erklären. Ich schicke dir nachher einen Brief.
Hans Petter:
Ach nee, du Genie, du hast also herausgefunden, wie man E-Mails verschickt. Das kann ja sogar meine Mutter.
Fera hat sich ausgeloggt.
Ich hatte schon gedacht, sie hat auf jede Frage eine Antwort, aber jetzt hat sie sich schnell verdrückt. Wo nimmt sie das bloß alles her? Energiekontingent, so ein Quatsch.
In dem Heim, wo sie ist, hat sie bestimmt nur begrenzten Zugang zum Internet.
Trotzdem bleibe ich auf und warte auf eine neue Mail. Sie kommt erst um halb eins.
Lieber Hans Petter,
ich lebe in einer Zivilisation, die mit Sicherheit ganz anders ist als deine. Sie sieht anders aus und sie ist anders organisiert. Tatsächlich bin ich in derselben Gegend der Welt aufgewachsen wie du, aber du würdest sie kaum wiedererkennen. Wir haben enorme technische Fortschritte gemacht. Und das meiste aus deiner Zeit ist zerstört.
Du hast gefragt, in welchem Jahr ich lebe. Es ist das Jahr 367 nach der Katastrophe, bei der die Menschen es fast geschafft hätten, sich selbst auszurotten und um ein Haar auch noch die Erde zu zerstören. Das schreibt unser Rat dazu:
Aus den Richtlinien des Rates: Der Anfang
Beginn unserer Zeitrechnung ist der Nullpunkt, der Neuanfang für die Menschheit, nachdem die Katastrophe uns beinahe ausgelöscht hätte.
Der Keim der Katastrophe liegt in einer politischen Bewegung, die sich einige Jahrzehnte vor der neuen Zeitrechnung bildete. Sie entstand in einem kleinen Land, in dem es bis dahin wenig Konflikte und kaum Not gegeben hatte. Die Gruppe versteckte ihre bösen Absichten hinter wohlmeinenden Versprechungen und erreichte dadurch schnell eine große Popularität. Ihr charismatischer Anführer verstand es, die Menschen für seine Ideen zu begeistern, und in kürzester Zeit war seine Anhängerschaft so groß geworden, dass sie die Geschicke aller auf der Welt beeinflusste.
Irgendwann jedoch regte sich Widerstand. Andere Nationen fühlten sich bedroht und versuchten, den Fortschritt der Bewegung aufzuhalten. Doch der Machtapparat zerschlug seine Gegner mit allen Mitteln, die ihm zur Verfügung standen. Technologien, die den Menschen eigentlich nutzen sollten, wurden missbraucht. Immer wirkungsvollere Waffen wurden entwickelt und sorgten schließlich dafür, dass die sicherheitspolitische Lage sich für einige Jahre stabilisierte. Dann flammten neue Krisen auf, die lang anhaltende Kriege nach sich zogen. Dabei wurden immer mehr Staaten in den Konflikt verwickelt.
Als der Anführer starb, setzten andere sein Werk fort. Das Böse war entfesselt und ließ sich nicht mehr aufhalten. Ganze Länder wurden ausgelöscht, eine effiziente
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