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Der Tag wird kommen

Der Tag wird kommen

Titel: Der Tag wird kommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Vogt- stli
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das ist noch schlimmer.«
    »Aber dann würden ja alle wissen, dass jemand ihn unter Drogen gesetzt hat. Der Verdacht würde sofort auf dich fallen.«
    »Hmm. Da hast du mir schon wieder den Arsch gerettet.«
    Andreas wirkt geradezu unsicher. Ich dagegen bin voll in meinem Element.
    »Was, wenn wir es schaffen, Nacktfotos auf seinen PC zu schmuggeln? Von kleinen Mädchen.«
    »Das ist genial!«, ruft Andreas aus. »Er ist ja schon Pervo-Gunnar. Mann, ey, du bist echt genial!«
    Ich werde beinahe rot bei seiner Begeisterung.
    »Hans Petter, hast du Besuch?«
    Mum kommt die Treppe herauf. Zwischen Anklopfen und Türöffnen liegt keine Zehntelsekunde. Sie steckt den Kopf herein und fällt fast in Ohnmacht, als sie Andreas auf meinem Bett entdeckt.
    »Andreas? Hallo. Lange nicht gesehen.«
    Sie sieht mich an und in ihren Pupillen blinken leuchtende Fragezeichen.
    »Das ist ja nett?«
    Sie formuliert das als Frage an mich, will sicher wissen, ob ich Hilfe brauche.
    »Alles gut, Mum.«
    »HP hat mir bei was geholfen. Schulkram. Ich muss jetzt auch los«, erklärt Andreas. »Denk weiter nach«, sagt er zu mir, als er geht.
    Mum bleibt stehen, bis sie unten die Haustür zufallen hört.
    »Ist alles in Ordnung? Bist du okay?«
    »Ja klar.«
    »Warum war Andreas hier? Und erzähl mir nicht, dass ihr Hausaufgaben gemacht habt.«
    »Nein. Er war eigentlich ganz nett … Wollte nur reden.«
    »Einfach so aus heiterem Himmel?«
    »Ja. Vielleicht wird er auch langsam erwachsen.«
    Mum lächelt. Sie sieht froh aus.
    »Wie schön. Du, Gunnar kommt nachher vorbei. Ich dachte, ich sage dir besser Bescheid.«

Was ich befürchtet hatte, ist eingetreten. Gunnar sitzt im Wohnzimmer. Im Allerheiligsten.
    Ich habe einen Lehrer zu Hause, zwar nicht in meinem Zimmer, aber kurz davor. Auf dem Sofa, mit meiner Mutter im Arm.
    Den Lehrer, den ich vor der ganzen Klasse Pervo-Gunnar genannt und dem ich eine Menge Sachen an den Kopf geworfen habe, an die ich mich nicht mal mehr erinnern kann. Den Lehrer, den ich vor seinen Kollegen im Lehrerzimmer bloßgestellt habe.
    »Hallo, Hans Petter«, sagt Gunnar.
    Er wirkt ein bisschen steif. Ich wappne mich innerlich für das Gespräch über meinen kleinen Ausbruch in der Klasse. Sie wollen es also zusammen durchziehen. Als Team.
    »Ja, ihr kennt euch ja bereits«, sagt Mum. Sie neigt dazu, banale Sachen zu sagen, wenn sie nervös ist. »Ich werde mal gehen und uns ein paar Waffeln backen.«
    Jetzt bin ich verwirrt. Will Gunnar mich allein zur Rede stellen? Und Waffeln? Das hier erinnert mehr an Friede-Freude-Eierkuchen als an ein Tribunal. So als ob Mum will, dass wir uns aneinander gewöhnen. In heimischer Umgebung.
    Ich nicke Gunnar zu. Es fühlt sich komisch an. Ich kann nicht so tun, als wäre nichts passiert. Ich will nur noch eins, weg von hier und auf mein Zimmer.
    »Ich kann verstehen, dass es eine schwierige Situation für dich ist, Hans Petter«, sagt er, als ich auf die Treppe zugehe.
    »Ich habe June nichts von dem kleinen Vorfall erzählt, du weißt schon, äh, von wegen Pervo-Gunnar . Wir vergessen das. Mir ist schon klar, dass du dich abreagieren musstest. Dass es rausmusste.«
    Wirklich? Das hätte ich nicht gedacht. Ich setze mich auf die äußerste Kante der Sofalehne.
    »Ich bin nicht dein Lehrer, wenn wir uns hier begegnen. Ich habe mir das durch den Kopf gehen lassen. Niemand will seinen Lehrer bei sich zu Hause haben.«
    Schau an. Der Mann hat seine Gehirnzellen angestrengt. Aber trotzdem sitzt der Lehrer hier. Zu Hause auf meinem Sofa. Er widerspricht sich also selbst. Ein Quälgeist, der weiß, dass er dich quält. Hmm. Macht das die Quälerei nicht noch schlimmer?
    »Zum Glück dauert es ja nur noch ein gutes halbes Jahr, bis du die Schule wechselst. Bis dahin ist es wichtig, dass ich hier nur Gunnar bin und nicht dein Vertrauenslehrer.«
    Ich frage mich, wie sich wohl »Nur-Gunnar« von »Lehrer-Gunnar« unterscheidet, aber das Traurige ist ja, dass ich reichlich Gelegenheit haben werde, das herauszufinden.
    »Glaubst du, ich schaffe das?«, fragt er.
    »Vergiss nicht, die Kreide zu Hause zu lassen«, antworte ich. Er lacht. Ein bisschen zu laut und zu herzlich. So witzig war das nun auch nicht.
    »Ich lasse die Kreide und den Rotstift zu Hause. Und ich verspreche, dass alles, was in der Schule passiert, außen vor bleibt, wenn ich hier bin.«
    Das gefällt mir. Ich lächle.
    »Sogar eventuelles Pervo-Gerede.«
    Ich lache vorsichtig. Er nimmt es tatsächlich mit Humor. Ich komme

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