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Der Tag wird kommen

Der Tag wird kommen

Titel: Der Tag wird kommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Vogt- stli
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wieso habe ich selbst es laut herausgebrüllt? Ich habe keine Ahnung, was ich antworten soll. Es kommt mir blöd vor, Ja zu sagen. Und noch blöder, es abzustreiten.
    »Stimmt es nun, oder was? Vielleicht haben sie nur gevögelt?«
    Die Mädchen lachen gehässig. Mir fällt auf, dass alle gespannt sind. Sie haben mich nicht eingekreist, hätten es aber genauso gut tun können. Ich wünschte, ich hätte irgendeine Antwort parat, irgendwas, um die Situation zu retten, doch was sollte das sein? Sie ist ja wirklich mit Gunnar zusammen. Sicher vögeln sie miteinander. Ich habe es ja selbst gesagt.
    »Hey! Man tritt keinen Mann, der am Boden liegt!«
    Es gibt sehr viele Gründe, warum es so überraschend ist, dass dieser Satz von Andreas kommt. Aber es gibt keinen anderen, der eine solche Wirkung damit erzielen könnte. Alle ziehen sich sofort zurück. Pia wartet nicht mehr auf eine Antwort. Andreas klopft mir auf die Schulter, als er vorbeigeht, und verschwindet wieder. Es ist, als hätte er mir einen unsichtbaren, schützenden Schild gegeben. Ich bin gerettet.
    In der Klasse sehen mich alle an. Sie starren nicht unverhohlen, aber ich merke, dass sie mich heimlich im Auge behalten. Ihre Blicke gehen zwischen Gunnar und mir hin und her. Die Spannung im Raum macht die Luft dick und zäh. Ich bahne mir den Weg zu meinem Platz. Gunnar wirkt freundlich wie immer, aber ich kann sehen, dass er nervös ist. Sein Umriss ist ein bisschen ausgefranst, er ist nicht so klar wie sonst. Und ich weiß, dass ich daran schuld bin.
    »Traust du dich, so dicht bei Pervo-Gunnar zu sitzen, Pia?«
    Das war Herman. Sein Kommentar wird mit Kichern belohnt. Alle Augen kleben jetzt ohne Scheu an Gunnar. Sie wollen wissen, wie er darauf reagiert.
    Gunnar seufzt. Sein Blick flackert ein bisschen.
    »He, Herman! Wo war denn deine Mutter gestern Abend?«, ruft Sofus aus der letzten Reihe.
    »Es reicht.«
    Gunnar kocht innerlich, aber er reißt sich zusammen. »Das ist wirklich kein Thema für Witze. Wir beenden das hier und jetzt.«
    Er schafft es, die Kontrolle zurückzugewinnen. Das ist schon beeindruckend. Trotzdem ahne ich, dass Gunnar nun zu Pervo-Gunnar geworden ist. Das wird er so schnell nicht wieder los. So wie unser stinkender Chemielehrer Schwefel-Svensen. Oder Fischkopp, unser Hausmeister mit den wulstigen Lippen und den Glupschaugen. Pervo-Gunnar ist nicht mal ein besonders guter Spitzname, aber er sitzt. Und ich habe ihm den gegeben. Ich weiß nicht, ob ich es bedauern oder stolz darauf sein soll. Vielleicht ist bald vergessen, dass ich der Urheber bin. Es kann jedoch auch auf mich zurückfallen. Wenn ich derjenige bin, der Pervo-Gunnars Stiefsohn wird.
    Gunnar kriegt langsam seine normale Farbe wieder. Er spricht über die heutigen Aufgaben, als wäre nichts passiert. Er sieht mich nicht an. Kein Zuzwinkern. Er bemüht sich, nicht in meine Richtung zu schauen. Da kommt Andreas zur Tür hereingeschlurft.
    »Ich sollte wohl froh sein, dass du überhaupt so früh auftauchst«, kommentiert Gunnar und greift nach dem Klassenbuch, um ihn einzutragen.
    Andreas hebt die Hand und salutiert lässig. Er macht einen kleinen Umweg zu meinem Tisch und steckt mir unauffällig einen Zettel zu.
    Gunnar soll bluten. Warte nach der Schule am Trafo auf mich.
    Andreas lehnt an der Wand des Trafo-Häuschens. Betont lässig. Keine Ahnung, wie er es geschafft hat, seine Kumpel loszuwerden, aber er wartet allein. Jedenfalls sieht es so aus.
    Er fixiert mich, während ich auf ihn zugehe. Ich weiß wie üblich nicht, wo ich hingucken soll. Es wäre unnatürlich, ihn die ganze Zeit anzuglotzen, deshalb richte ich den Blick zu Boden. Bis mir einfällt, dass das Andreas vielleicht mächtig nerven könnte, also starre ich stattdessen auf den Wald hinter ihm. Die Bäume sind nackt und kahl ohne ihr Laub. Schließlich habe ich Andreas erreicht und muss ihn ansehen, muss was sagen.
    »Hallo«, murmle ich.
    Er nickt zur Antwort.
    »Gut, dass du kommst.«
    Er geht los und ich kriege es mit der Angst zu tun. Was hat er vor?
    »Wir gehen zu dir. Komm schon!«
    Zu mir? Er will zu mir nach Hause? Weiß er, dass ich es war, der ihm die Fotos geschickt hat? Will er sich auf meinen PC stürzen und die Bilder löschen?!
    Andreas hat sich auf mein Bett gefläzt. Sein massiger Körper ist beinahe so breit wie die Bettdecke. Er stützt den Kopf auf die Hand und blickt sich neugierig um. Es ist so lange her, dass jemand anders als Mum hier war, das Zimmer ist nicht auf Besuch

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