Der Talisman (German Edition)
Junge endlich den verdammten Talisman verloren hatte. Denn die schwarzen Schmetterlinge konnten Yasha ja nicht sehen, wenn er seinen magischen Glücksbringer trug.
Aber als Olav Zürban erfuhr, dass Yasha sich in Lebensgefahr befand, hatte er sich mit großer Sorge auf den Weg gemacht und nun stand er hier im Krankenhaus am Bett des Jungen. In einem Winkel seiner schwarzen Seele hatte er gehofft, dass er Yasha aus dem Krankenhaus entführen könnte, aber der Junge war viel zu krank.
Leise quietschten
die weißen
Gesundheitssandaletten des Schwarzmagiers über den Linoleumboden, als er das Zimmer nach dem Talisman durchsuchte. Zum zweiten Mal an diesem Tag huschte ein breites Lächeln über sein Gesicht: Seine Vermutung hatte sich bestätigt, hier war kein Talisman. Zufrieden sah Olav Zürban drei seiner schwarzen Schmetterlinge im Krankenzimmer herumflattern und befahl ihnen, Yasha zu überwachen. Dann legte er vorsichtig einen zerknitterten Zettel auf Yashas Nachtschrank und verließ leise das Zimmer.
Als Yasha zu sich kam, stand ein Arzt an seinem Bett und schaute ihn lange und freundlich an: »Nun, mein Junge, du kannst von Glück reden, dass du noch lebst. Du bist ein medizinisches Wunder.« Er setzte sich auf die Bettkante und sagte: »Deine Verletzungen waren so schwer, dass wir dachten, du stirbst. Du lagst lange im Koma. Dann, nach mehreren Wochen, hast du angefangen zu schreien. Ich kann, ich kann, ich kann, sagtest du immerfort. Und du hast vom Fliegen mit Mönchen und vielen anderen unglaublichen Dingen gesprochen. Als ich das gehört habe, wusste ich, dass du gesund wirst. Aber erzähl mir bitte, was hat es mit all diesen Geschichten auf sich?«
Yasha erzählte dem
Arzt, was er bisher
erlebt hatte. Der Arzt hörte sehr genau zu, dann stand er auf und überreichte Yasha den Talisman und einen zerknitterten Zettel: »Den hat jemand auf deinen Nachttisch gelegt.« Auf dem Zettel stand nur: Trennung des Wassers.
Yasha verabschiedete sich von dem freundlichen Arzt und verließ sehr erleichtert das Krankenhaus. Übrigens erfuhr der Junge viele Jahre später, dass dieser Arzt eine Therapie entwickelt hatte. Sie wird »Ich kann, ich kann, ich kann« oder auch »Positives Denken« genannt und wurde weltberühmt. Das tröstete Yasha ein wenig, denn für seine Zeit als Torero schämte er sich noch lange.
Nachdem Yasha das Krankenhaus verlassen hatte, blieb er in Granada und versuchte dem Sinn der geheimnisvollen Worte »Trennung des Wassers« auf die Spur zu kommen. Denn eines war ihm inzwischen klar geworden: Wer auch immer ihm diesen Zettel zugespielt hatte, es sollte ein Hinweis auf den Aufenthaltsort seiner Eltern sein.
In der altehrwürdigen Universität sprach Yasha mit vielen gelehrten Professoren, aber keiner konnte ihm einen Hinweis darauf geben, an welchem Ort sich die Trennung des Wassers vollzieht. Eine vage Spur schien Gibraltar zu sein, dort treffen das Mittelmeer und der Atlantik aufeinander. Also reiste Yasha zum berühmten Felsen von Gibraltar. Dort ist die Entfernung zwischen Afrika und Europa am kürzesten. Diese Meerenge wird auch »das Tor zum Mittelmeer« genannt. Aber von »Trennung des Wassers« war hier keine Rede, denn nichts trennt die beiden Gewässer. Yasha sah ganz deutlich, dass sie sich vermischten.
Enttäuscht und ratlos
reiste der Junge
nach Granada zurück. Das Rätsel um die Trennung des Wassers stellte ihn vor ein schier unlösbares Problem. Missmutig betrat Yasha die kleine Herberge, in der er ein einfaches Zimmer gemietet hatte. Señora Emilia sah auf und runzelte die Stirn, als sie Yashas langes Gesicht sah. »Der arme Junge!«, dachte die alte Dame und umrundete erstaunlich flink den Tresen der Rezeption, um ihn zu begrüßen. Mit ihrem Gehstock deutete sie resolut auf eine verschlissene Sitzgruppe. Widerwillig ließ sich Yasha auf der Kante des Sofas nieder. Aus Erfahrung wusste er, dass er weder Señora Emilias Fürsorge noch ihrem gesunden Kräutertee entgehen konnte, bevor er ihr alles über seine Reise nach Gibraltar erzählt hatte.
Nach einer Stunde stieg Yasha endlich die schmale Treppe zu seinem Zimmer hoch. Das Gespräch mit Señora Emilia hatte ihm gut getan. Und die weise alte Frau hatte ihm sogar einen guten Tipp gegeben: Er sollte den Stadtteil Sacromonte aufsuchen. Hier leben tausende von Zigeunern in Wohnhöhlen, die den ganzen Berghang durchziehen. »Frag die Zigeuner, mein Junge, sie kommen weit in der Welt herum. Vielleicht können sie dir
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