Der Talisman (German Edition)
magische Schutz des Talismans Yasha in ein unsichtbares Nichts aufgelöst und dem flatternden schwarzen Spion war es nicht möglich gewesen, dem Jungen durch Granada zu folgen.
Nach einem letzten Blick in den Krater zog sich Yasha vorsichtig zurück. Mehr konnte er für seine Eltern und den kleinen Wasserträger nicht tun. Wenn er hier in Rondônia blieb, bestand die Gefahr, dass er die Situation nur verschlimmerte. Hastig versteckte sich der Junge hinter einem Stapel leerer Körbe und flüsterte: »Talisman! Ich muss hier weg! Schnell! Ich wünsche, ich wünsche, ich wünsche zurück nach Ungarn zu gelangen!«
Nach dem Abenteuer in Brasilien hatte der Talisman Yasha direkt in einer kleinen Gasse in der Innenstadt von Budapest abgesetzt. Der Gedanke, dass seine Eltern bald hier ankommen würden, beruhigte den Jungen. Der kleine Wasserträger aus Rondônia war ein schlaues Kerlchen und Yasha setzte seine ganze Hoffnung in ihn. Nun konnte er nur abwarten, wie sich die Dinge entwickeln würden.
Yasha hatte Zeit, viel Zeit … und so beschloss er, sich ein spannendes Buch zu kaufen. Langsam schlenderte er durch die Stadt. Vor einem kleinen Buchladen stand eine Gruppe Kinder, die sich die Nasen an der Scheibe platt drückten und lebhaft über die ausgestellten Kinderbücher diskutierten. Als Yasha näherkam, erkannte er die Kinder, die er damals unter Budapests größter Brücke kennengelernt hatte. Freudig ging Yasha auf die Gruppe zu, aber die Begrüßung fiel unerwartet kühl aus. Einige seiner alten Spielkameraden musterten ihn mit Blicken, die Yasha fast feindselig vorkamen. Was war nur passiert? »Und Panna?«, fragte Yasha, um das Gespräch in Gang zu bekommen. »Habt ihr etwas von ihr gehört, ich hatte sie zuletzt in Spanien, in Granada, bei einem Stierkampf getroffen?« Die Kinder schüttelten die Köpfe. Keiner wusste, wo Panna sich jetzt befand. »Nun, Graf Gregorio wird sicher wissen, wo sie ist!«, sagte Yasha nachdenklich. Die Kinder schauten verlegen zu Boden und Androsh, so hieß der größte Junge, sagte vorwurfsvoll: »Graf Gregorio spielt keine Geige mehr. Wir alle vermissen seine zauberhafte Musik. Du hast ihn furchtbar gekränkt. Bring das schleunigst wieder in Ordnung!« Dann drehte sich Androsh abrupt um und stapfte davon, die anderen Kinder folgten ihm.
Yashas Gesicht
war knallrot angelaufen.
Das war es also – und ganz Budapest schien davon zu wissen! Der Gedanke an seinen unrühmlichen Auftritt in der Stierkampfarena von Granada war ihm entsetzlich peinlich! Androsh hatte recht, er musste Graf Gregorio um Verzeihung bitten. Das Haus von Graf Gregorio zu finden war ganz einfach. Hier in Budapest kannten ihn alle. Es dauerte nicht lange und Yasha hatte sich bis zu dem eleganten alten Stadtpalais, das sein Freund bewohnte, durchgefragt. Mit einem mulmigen Gefühl im Magen drückte Yasha auf den Klingelknopf. Eine Weile passierte nichts. Yasha wollte gerade wieder gehen, da öffnete Xenia die Tür. Als sie Yasha sah, gefror das Lächeln in ihrem Gesicht. Sie schrie ihn an: »Du Lump! Du Schlange! Wie konntest du nur?« Gleichzeitig verpasste sie dem Jungen, ohne Vorwarnung, eine von ihren gut sitzenden Ohrfeigen. Dann warf sie ihm die schwere Tür vor der Nase zu. Yasha stand da wie ein begossener Pudel.
Die Versöhnung
sollte eine langwierige
und mühsame Angelegenheit werden. Aber Yasha gab nicht auf. Jeden Morgen klingelte er an Graf Gregorios Haustür, um seinen Freund um Verzeihung zu bitten und sein Herz zu erweichen. Doch Xenia wies ihn jedesmal grob ab. Es dauerte lange. So, wie eine Narbe ihre Zeit braucht, um zu heilen, so brauchte auch Graf Gregorios Herz seine Zeit.
Aber eines Morgens war es soweit. Als Xenia die Tür öffnete, hörte Yasha die zarten Klänge der kleinen Geige. Sie besang die Versöhnung der beiden Freunde. Yasha weinte vor Erleichterung und Glück. Es war, als wenn ein Regenbogen nach einem schweren Sturm am Himmel erscheint. Sie waren wieder Freunde und es gibt nichts Schöneres im Leben als einen guten Freund! Nachdem Graf Gregorio und Yasha ihre Versöhnung gebührend gefeiert hatten, fragte Yasha nach Panna. »Panna? Sie ist in sehr großer Gefahr!«, sagte Graf Gregorio und erzählte, was er von seinem Vetter Georgy erfahren hatte.
Georgy war Pferdehändler
und in der ganzen
Welt berühmt für seine schönen und schnellen Tiere. Er lebte in der Puszta, einer riesigen Steppe im Osten Ungarns, auf einem großen Hof, umgeben von unendlich viel
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