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Der Talisman

Der Talisman

Titel: Der Talisman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King und Peter Straub
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Stunden, und sie waren schon weit westlich von Arcanum und befanden sich auf einer dunklen, zweispurigen Landstraße, als Jack in einem verwahrlosten Feld eine verlassene Scheune entdeckte. Dort verbrachten sie die Nacht.
    Wolf machte einen großen Bogen um die Stadtzentren, in denen der Verkehr ein lärmender Strom war und Gerüche in einer giftigen Wolke zum Himmel emporstiegen, und Jack war es nur recht. Wolf fiel zu sehr auf. Aber einmal hatte er einen Halt verlangt, an einem Laden, der unmittelbar hinter der Grenze zu Indiana, in der Nähe von Harrisville, an der Straße lag. Während Wolf nervös am Straßenrand wartete, sich hinhockte, in der Erde wühlte, aufstand, steif im Kreis herumwanderte und sich dann wieder hinhockte, kaufte Jack eine Zeitung und las die Wettervorhersage genau durch. Der nächste Vollmond fiel auf den 31. Oktober. Jack warf einen Blick auf die Titelseite, um festzustellen, welches Datum sie trug. Die Zeitung war vom Vortag. Das war der 26. Oktober gewesen.
     
    7
     
    Jack öffnete eine der Glastüren und trat ins Foyer des Town Line Sixplex. Er warf einen scharfen Blick zurück auf Wolf, aber mit Wolf schien – zumindest im Augenblick – alles in Ordnung zu sein. Wolf wirkte sogar vorsichtig optimistisch – zumindest im Augenblick. Es gefiel ihm nicht, sich im Innern eines Gebäudes zu befinden, aber wenigstens war es kein Auto. Außerdem lag ein guter Geruch in der Luft – schwach und irgendwie verlockend. Das heißt, er wäre verlockend gewesen ohne einen bitteren, fast ranzigen Nebengeruch. Wolf blickte nach links und sah einen mit einem weißen Zeug gefüllten Glaskasten. Das war die Quelle des schwachen, guten Geruchs.
    »Jack«, flüsterte er.
    »Ja?«
    »Ich möchte etwas von dem weißen Zeug, bitte. Aber ohne die Pisse.«
    »Pisse? Was meinst du damit?«
    Wolf suchte nach einem formelleren Wort und fand es. »Urin.« Er deutete auf ein Ding, in dem ein Licht an- und ausging. BUTTERAROMA stand darauf. »Das ist doch eine Art Urin, oder? So wie es riecht, kann es nichts anderes sein.«
    Jack lächelte müde. »Popcorn ohne den Butterersatz, okay«, sagte er. »Und nun halt den Mund, ja?«
    »Tue ich, Jack«, sagte Wolf demütig. »Gleich hier und jetzt.«
    Die Frau an der Kasse hatte auf einem großen Klumpen Kaugummi mit Traubenaroma herumgekaut. Jetzt hörte sie damit auf. Sie sah Jack an und dann Jacks massigen Gefährten. Das Kaugummi saß in ihrem halboffenen Mund wie ein purpurner Tumor. Ihre Augen wanderten zu dem Mann hinter dem Tresen.
    »Zwei, bitte«, sagte Jack. Er zog seine Rolle Geldscheine heraus, schmutzige, eselsohrige Eindollarnoten mit einem einsamen Fünfer in der Mitte.
    »Welche Vorstellung?« Ihre Augen wanderten hin und her, hin und her, von Jack zu Wolf und von Wolf zu Jack. Sie glich einer Frau, die einem heißen Tennismatch zuschaut.
    »Was läuft gerade an?«
    »Ja …« Sie warf einen Blick auf einen mit Klebeband befestigten Zettel. »Da ist Der fliegende Drache in Saal vier. Es ist ein Kung Fu-Film mit Chuck Norris.« Hin und her wanderten ihre Augen, hin und her, hin und her. »Und in Saal sechs haben wir ein Doppelprogramm. Zwei Zeichentrickfilme von Ralph Bakshi. Zauberer und Der Herr der Ringe.«
    Jack spürte Erleichterung. Wolf war ein zu groß geratenes Kind, und Kinder liebten Zeichentrickfilme. Vielleicht würde es doch noch gut gehen. Vielleicht würde Wolf im Land der schlimmen Gerüche zumindest etwas entdecken, das ihm Spaß machte, und Jack würde drei Stunden schlafen können.
    »Die Zeichentrickfilme«, sagte er.
    »Das macht vier Dollar«, sagte sie. »Die verbilligten Preise gelten nur bis vierzehn Uhr.« Sie drückte auf einen Knopf, und zwei Karten glitten mit einem mechanisch knarrenden Geräusch aus einem Schlitz. Wolf fuhr mit einem leisen Aufschrei zurück.
    Die Frau sah ihn mit hochgezogenen Brauen an.
    »Sind Sie nervös, Mister?«
    »Nein, ich bin Wolf«, sagte Wolf. Er lächelte und zeigte dabei eine Menge Zähne. Jack hätte schwören können, dass Wolf jetzt beim Lächeln mehr Zähne zeigte als noch ein oder zwei Tage zuvor. Die Frau betrachtete diese Zähne und befeuchtete ihre Lippen.
    »Er ist okay. Er ist nur …« Jack zuckte die Achseln. »Er kommt selten von der Farm weg.« Er gab ihr den einsamen Fünfer. Sie nahm ihn, als wünschte sie sich eine Zange, mit der sie ihn anfassen konnte.
    »Komm, Wolf.«
    Als sie sich dem Süßigkeitenstand zuwandten und Jack die Eindollarnote in die Tasche seiner schmutzigen

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